Sepp
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- Wangerland
Tag 37 – On the road again
Moin!
Nach "aufstehst" ist ein Punkt. Ich dachte, der Satz wär' damit abgeschlossen...
Heute bin ich mal wieder den ganzen Tag unterwegs gewesen – ein Termin in Bochum, eigentlich mehr Autobahn-Sitzen als irgendwas anderes.
Da meine Frau vormittags arbeitet, und Lara, wie so ziemlich oft zur Zeit, wieder zwei Stunden Ausfall hat und somit eher nach Hause kommt, muss sie einen Schlüssel mitnehmen. Das löst, wie jedes Mal in diesen Fällen, zwei gegensätzliche Empfindungen bei ihr aus: Stolz, weil sie alt genug ist, dass wir ihr den Schlüssel anvertrauen, und Sorge, dass eine Katze stiften gehen könnte, wenn sie die Tür irgendwie zu langsam oder falsch öffnet.
Die Sorge ist nicht ganz unbegründet. Es waren erst ein paar Wochen, seit Lilly bei uns eingezogen ist. Meine Frau kommt mittags heim, hektisch, aufgeregt und vollbeladen, weil sie noch einkaufen war. Außerdem hat sie heute Unglaubliches erlebt, am Vormittag. Es hat mit ihrer Arbeit zu tun, und ich werde darüber ab dem Moment, wo sich die Tür öffnet, ausführlich und umfassend informiert. Das setzt sich die nächste Viertelstunde ungebrochen fort, parallel zu ihrem Weg durch’s Haus, um sich umzuziehen und dann in der Küche das Mittagessen vorzubereiten.
Irgendwann ist Ruhe. „Wo ist eigentlich Lilly?“, fragt meine Frau, die es normalerweise gewohnt ist, an der Tür von unserer Katze begrüßt zu werden. „Der hat deine Geschichte nicht gefallen“, entgegne ich, sehr zum Missfallen meiner Frau, der in manchen Momenten der gesunde Sinn für Sarkasmus auch mal komplett abgehen kann. Dies ist so ein Moment. Aber stimmt, ich habe Lilly seit dem Eintreffen meiner Frau auch nicht mehr gesehen.
3 Suchtrupps, meine Frau, Lara und ich durchkämmen das gesamte Haus, alle bekannten Verstecke (und ein paar unbekannte auch) finden gar nichts. Mir kommt der Einfall des Tages, ich rapple‘ mit dem Fressnapf und den Löffeln – keine Katz‘. Nervosität bricht aus.
Ich schnappe mir Napf, Leckerlie’s und eine Handvoll Löffel, zum Klappern, und stürze, von Vorahnung getrieben, nach draußen. Ich muss nicht weit laufen, bis ich Lilly eingeschüchtert unter dem Carport unserer Nachbarn sitzen sehe. Sie muss irgendwie von meiner Frau mit einer Einkaufstüte hinauskomplimentiert worden sein. Uns fällt mehr als ein Stein vom Herzen.
Seitdem probt unsere Tochter die Abläufe mehrfach vorher, wenn sie mal nach Hause kommt und keiner da ist. Sie geht also nach draußen und instruiert mich, ihr in zwei, drei Minuten zu folgen, damit ich schauen kann, ob die Handgriffe sitzen. Zunächst will sie alleine proben, wie die Tür von außen zu schließen ist, für den Fall, dass sie wichtige Angelegenheiten im Garten zu verrichten hat. Sie weiß, dass sie nicht `rein- und `rausrennen darf, wenn sie mal alleine im Haus ist, aber gut. Es schadet ja nichts.
Als ich versuche, ihr zu folgen, stelle ich fest, dass sie die Tür abgeschlossen und verriegelt hat, und dass ihr Schlüssel immer noch außen im Schloss steckt. Keine Chance, die Tür von innen zu öffnen. Gut, sie wird es merken, dass ich nicht komme.
Auch, wenn’s etwas dauert.
Nach 20 Minuten verliere ich die Geduld und steige durch die Terrassentür in’s Freie. Lara ist nirgends zu sehen. Aus dem Wohnzimmer der Nachbarn höre ich Kinderlachen. Mehr als ein Kind, und ein spezielles Lachen kommt mir bekannt vor. Die Nachbarn haben auch eine Tochter, die ist zwar kleiner als Lara, aber die zwei verstehen sich trotzdem und Lara spielt gern die große Schwester. Die beiden schauen fern. Als ich an die Scheibe klopfe, kommt Lara angetrottet. „Mann, wo bleibst du denn, ich habe die ganze Zeit auf dich gewartet.“
Es sind diese Momente, wo mir klar wird, dass wir auch irgendwas Gravierendes falsch gemacht haben müssen, in den letzten 11 Jahren.
Die Katzen sind heute wieder ruhiger, nachdem es gestern zu einigen Auseinandersetzungen gekommen ist, in deren Verlauf ich, nach langer Zeit mal wieder, zur Wasserpistole gegriffen und Lilly damit zur Ordnung gerufen habe. Sie hat Mimi einfach nicht in Ruhe lassen können. Egal, wo die hinlief, Lilly rannte hinterher und attackierte sie.
Der Plan, der dem Einsatz der Wasserpistole zugrundeliegt, heißt „Bestrafung aus dem Off“. Das mit dem „Off“ muss Lilly falsch verstanden haben. Ab dem Moment, in dem ich sie bespritzt habe, schaut sie mich nicht mehr an. Die weiß genau, wer das war, da bin ich sicher. Streicheln unmöglich, sie macht die aberwitzigsten Verrenkungen, um bloß nicht von mir berührt zu werden. Mein schlechtes Gewissen plagt mich.
Nachts kann ich dann natürlich lange warten, mit meinem Buch in der Hand. Soviel habe ich lange nicht mehr gelesen, abends. Keine Lilly im Bett, noch nicht mal in der Nähe des Schlafzimmers. Das hab‘ ich jetzt davon. Vielleicht sollte ich doch beim Dazwischenstellen bleiben, aber man hat ja hin und wieder nochmal auch was anderes zu tun.
Eben hat die TÄ angerufen, Lilly’s Urin scheint ok zu sein, keine Kristalle, Steine, Blut, auch kein Gries. Allerdings ein paar wenige Bakterien unklaren Ursprungs, daher sollten wir nächste Woche noch eine Urinprobe abgeben, um das abzuklären. In einem abgekochten Glas.
Ich freu‘ mich schon drauf. Männer, die Kellen drunterhalten.
Gruß, der Sepp
Moin!
Du hast das "rein bildlich gesprochen" glatt unter den Tisch fallen lassen
Nach "aufstehst" ist ein Punkt. Ich dachte, der Satz wär' damit abgeschlossen...
Heute bin ich mal wieder den ganzen Tag unterwegs gewesen – ein Termin in Bochum, eigentlich mehr Autobahn-Sitzen als irgendwas anderes.
Da meine Frau vormittags arbeitet, und Lara, wie so ziemlich oft zur Zeit, wieder zwei Stunden Ausfall hat und somit eher nach Hause kommt, muss sie einen Schlüssel mitnehmen. Das löst, wie jedes Mal in diesen Fällen, zwei gegensätzliche Empfindungen bei ihr aus: Stolz, weil sie alt genug ist, dass wir ihr den Schlüssel anvertrauen, und Sorge, dass eine Katze stiften gehen könnte, wenn sie die Tür irgendwie zu langsam oder falsch öffnet.
Die Sorge ist nicht ganz unbegründet. Es waren erst ein paar Wochen, seit Lilly bei uns eingezogen ist. Meine Frau kommt mittags heim, hektisch, aufgeregt und vollbeladen, weil sie noch einkaufen war. Außerdem hat sie heute Unglaubliches erlebt, am Vormittag. Es hat mit ihrer Arbeit zu tun, und ich werde darüber ab dem Moment, wo sich die Tür öffnet, ausführlich und umfassend informiert. Das setzt sich die nächste Viertelstunde ungebrochen fort, parallel zu ihrem Weg durch’s Haus, um sich umzuziehen und dann in der Küche das Mittagessen vorzubereiten.
Irgendwann ist Ruhe. „Wo ist eigentlich Lilly?“, fragt meine Frau, die es normalerweise gewohnt ist, an der Tür von unserer Katze begrüßt zu werden. „Der hat deine Geschichte nicht gefallen“, entgegne ich, sehr zum Missfallen meiner Frau, der in manchen Momenten der gesunde Sinn für Sarkasmus auch mal komplett abgehen kann. Dies ist so ein Moment. Aber stimmt, ich habe Lilly seit dem Eintreffen meiner Frau auch nicht mehr gesehen.
3 Suchtrupps, meine Frau, Lara und ich durchkämmen das gesamte Haus, alle bekannten Verstecke (und ein paar unbekannte auch) finden gar nichts. Mir kommt der Einfall des Tages, ich rapple‘ mit dem Fressnapf und den Löffeln – keine Katz‘. Nervosität bricht aus.
Ich schnappe mir Napf, Leckerlie’s und eine Handvoll Löffel, zum Klappern, und stürze, von Vorahnung getrieben, nach draußen. Ich muss nicht weit laufen, bis ich Lilly eingeschüchtert unter dem Carport unserer Nachbarn sitzen sehe. Sie muss irgendwie von meiner Frau mit einer Einkaufstüte hinauskomplimentiert worden sein. Uns fällt mehr als ein Stein vom Herzen.
Seitdem probt unsere Tochter die Abläufe mehrfach vorher, wenn sie mal nach Hause kommt und keiner da ist. Sie geht also nach draußen und instruiert mich, ihr in zwei, drei Minuten zu folgen, damit ich schauen kann, ob die Handgriffe sitzen. Zunächst will sie alleine proben, wie die Tür von außen zu schließen ist, für den Fall, dass sie wichtige Angelegenheiten im Garten zu verrichten hat. Sie weiß, dass sie nicht `rein- und `rausrennen darf, wenn sie mal alleine im Haus ist, aber gut. Es schadet ja nichts.
Als ich versuche, ihr zu folgen, stelle ich fest, dass sie die Tür abgeschlossen und verriegelt hat, und dass ihr Schlüssel immer noch außen im Schloss steckt. Keine Chance, die Tür von innen zu öffnen. Gut, sie wird es merken, dass ich nicht komme.
Auch, wenn’s etwas dauert.
Nach 20 Minuten verliere ich die Geduld und steige durch die Terrassentür in’s Freie. Lara ist nirgends zu sehen. Aus dem Wohnzimmer der Nachbarn höre ich Kinderlachen. Mehr als ein Kind, und ein spezielles Lachen kommt mir bekannt vor. Die Nachbarn haben auch eine Tochter, die ist zwar kleiner als Lara, aber die zwei verstehen sich trotzdem und Lara spielt gern die große Schwester. Die beiden schauen fern. Als ich an die Scheibe klopfe, kommt Lara angetrottet. „Mann, wo bleibst du denn, ich habe die ganze Zeit auf dich gewartet.“
Es sind diese Momente, wo mir klar wird, dass wir auch irgendwas Gravierendes falsch gemacht haben müssen, in den letzten 11 Jahren.
Die Katzen sind heute wieder ruhiger, nachdem es gestern zu einigen Auseinandersetzungen gekommen ist, in deren Verlauf ich, nach langer Zeit mal wieder, zur Wasserpistole gegriffen und Lilly damit zur Ordnung gerufen habe. Sie hat Mimi einfach nicht in Ruhe lassen können. Egal, wo die hinlief, Lilly rannte hinterher und attackierte sie.
Der Plan, der dem Einsatz der Wasserpistole zugrundeliegt, heißt „Bestrafung aus dem Off“. Das mit dem „Off“ muss Lilly falsch verstanden haben. Ab dem Moment, in dem ich sie bespritzt habe, schaut sie mich nicht mehr an. Die weiß genau, wer das war, da bin ich sicher. Streicheln unmöglich, sie macht die aberwitzigsten Verrenkungen, um bloß nicht von mir berührt zu werden. Mein schlechtes Gewissen plagt mich.
Nachts kann ich dann natürlich lange warten, mit meinem Buch in der Hand. Soviel habe ich lange nicht mehr gelesen, abends. Keine Lilly im Bett, noch nicht mal in der Nähe des Schlafzimmers. Das hab‘ ich jetzt davon. Vielleicht sollte ich doch beim Dazwischenstellen bleiben, aber man hat ja hin und wieder nochmal auch was anderes zu tun.
Eben hat die TÄ angerufen, Lilly’s Urin scheint ok zu sein, keine Kristalle, Steine, Blut, auch kein Gries. Allerdings ein paar wenige Bakterien unklaren Ursprungs, daher sollten wir nächste Woche noch eine Urinprobe abgeben, um das abzuklären. In einem abgekochten Glas.
Ich freu‘ mich schon drauf. Männer, die Kellen drunterhalten.
Gruß, der Sepp