Tag 106 – Im Schlafsaal
Moin!
Urzeitkrebse : übel riechender Belag oben drauf?
Ja, sie treiben nach oben… Wenn sie das Schwimmen eingestellt haben… Endgültig…
Schön wär’s gewesen, hätten wir heute ein wenig Zeit für `ne Wurst und Glühwein gehabt, leider war das überhaupt nicht `drin. Den ganzen Tag hatte ich irgendwelche Projektarbeiten zu erledigen, und nebenbei habe ich nächste und übernächste Woche auch noch ein paar Termine `reingedrückt bekommen, für die ich jeweils quer durch die ganze Republik fahren muß. Mit Übernachtung, weil’s anders gar nicht zu schaffen wäre. Und das in der besinnlichen Vor-Weihnachtszeit…
Da müssen die Damen mal wieder ohne mich auskommen, alle, die zweibeinigen wie die vierbeinigen, wobei das Letzteren derzeit besonders leicht zu fallen scheint. Mich überkommt seit einigen Tagen die Vermutung, dass Katzen, anders als den biologischen Lehrbüchern zu entnehmen ist, doch Winterschlaf halten, und zwar genau ab jetzt, ab Ende November.
Sie haben sich zwar immer schon mal gerne zwischendurch irgendwo zusammengerollt und gedöst, aber zur Zeit nimmt die allgemeine Müdigkeit nun völlig überhand, ausgeprägte Schlafkrankheit, und das bei beiden.
Ich bin mittlerweile sicher, dass das mit der Jahreszeit zu tun haben muss. Wenn draußen alles feucht und grau ist und der kalte Wind über’s Haus pfeift und die Wärme durch alle Ritzen herauszusaugen scheint, möchte ich mich auch am liebsten in eine gemütliche Ecke zurückziehen, vor den Kamin, mit einem Buch vielleicht, und vor mich hindämmern. Am besten noch mit dem Dornfelder bewaffnet, von dem komischerweise immer noch eine unangetastete Flasche in unserer Kammer steht… Einer kam durch…
Aber nein, das Katzenfutter muss letztlich ja auch mit irgendwas bezahlt werden, daher fällt der gemütliche Teil für mich flach, und so versuche ich wenigstens zwischendurch, unsere Miezen zumindest ein wenig aus der Reserve zu locken und zu bespaßen.
Aber nix da, da kann ich mit dem DaBird herumwedeln, wie ich lustig bin, mit Fellmäusen um mich schmeißend durch’s Wohnzimmer toben wie ein Derwisch, oder vertrocknete Kastanien durch den Flur kicken wie einst Beckenbauer, hier ist jetzt auch tagsüber Siesta, und ich packe mein ganzes Spielzeug dann meist irgendwann grummelnd wieder weg.
Lilly ist auf jeden Fall relativ leicht zu orten, sie liegt eigentlich immer auf ihrem Schrank im Wohnzimmer, da gefällt es ihr, da fühlt sie sich wohl, und woanders möchte sie auch gar nicht sein. Dort kann man herrlich dösen, und sollte irgend so ein Trottel hier ruhestörenden Lärm veranstalten, nur weil er glaubt, sich mit Telefonaten amüsieren zu müssen, dann hat man den Übeltäter und das gesamte Umfeld zumindest gleich von oben fest im Blick und kann ihn mit strafenden Blicken abmahnen. Damit er’s gleich versteht.
Für mich ist das auch irgendwie wieder beruhigend zu wissen, wo unsere Erstkatze ist, und ein Blick auf den Schrank genügt, um einigermassen sicher zu sein, wenn mir zum Beispiel mein Freund, der Paketbote, wieder einen Besuch abstattet, was er gerade in der Zeit vor Weihnachten häufiger tut. Die Angst sitzt tief, dass eine unserer Damen mir anlässlich etwaiger Paketübergaben wieder einmal durch die Beine springt, so ein Karton passt schließlich nicht durch den Türspalt, den ich nur etwas unter Katzenkopfbreite gerade noch für sicher halte, sonst hätte der Bote ja auch gleich den Briefkasten benutzen können.
Ich bin, typischerweise mit nur einem einzigen Augenpaar ausgestattet, aufgrund dieser naturgegebenen menschlichen Einschränkung dankbar für die Berechenbarkeit unseres Tigers, die ihr Kommen durch ein lautes, typisches „Plopp“ beim Sprung vom Schrank ankündigen würde, sollte sie doch just in diesem Moment aufwachen und von sofortig aufkeimendem Interesse an dem Vorgehen an der Tür übermannt werden.
Ist halt blöd, wenn man nur in eine Richtung gleichzeitig schauen kann. Paket oder Flur... Manchmal beneide ich die gemeine Stubenfliege für ihren Rundum-Blick.
Der Jaguar macht mir das Leben jedoch viel schwerer als der Tiger. Genauso, wie sie sich abends nicht spontan für eine Schlafposition entscheiden kann, wenn sie nicht zuerst alle 35 denkbaren anderen auch ausprobiert hat, ist ihr Ruheplatz im Haus auch keinerlei festen Regeln unterworfen.
Meine Frau hat ein kleines Arbeitszimmer, die Regale vollgeräumt mit lauter weichen Sachen, Stoffe, Fell, Strick und dergleichen. Die Sortierung in den einzelnen Regalfächern folgt strengen, allerdings für einfache Gemüter wie mich nicht unvermittelt erkennbaren und nachvollziehbaren Regeln und scheint von höchster Wichtigkeit zu sein, wenn man geneigt ist, meiner Frau in dieser Hinsicht Glauben zu schenken.
Die letzte Diskussion darüber hatten wir, als sie mich morgens vor etwa einem Monat am Telefon bat, den grauen Webpelz aus dem dritten Fach links von unten als Muster nachmittags zu Bekannten mitzubringen, wohin sie ohne Umweg hierher nach der Arbeit direkt zu fahren gedachte und wo wir uns gegen Abend treffen wollten.
Ein Zug an dem Fellzeug, und das Fach ist leer, jeglicher Inhalt rutscht augenblicklich nach und bildet einen unansehnlichen Haufen bunter textiler Erzeugnisse auf dem Boden, den ich auch noch, aus Zeitmangel und, weil ich’s sowieso nie in korrekter Reihenfolge wieder hätte einordnen können, liegen ließ. Großer Fehler, wie sich später herausstellen sollte. Von mir. Ganz groß.
Die Fächer kann man, wenn man Katze ist, trotzdem prima ausräumen und sich in dem entstehenden Haufen ein kuscheliges Nest bauen. Interessant wird es dann, wenn meine Frau mittags heimkommt, allerdings nur für mich, die Miez‘ liegt dann längst ganz woanders und trägt auf dem Weg zum Mittagessen einen höchst unschuldigen Gesichtsausdruck zur Schau. Kurzer Blick in das Zimmer mit der Missetat: Oh, was ist das denn? Ein Haufen… Na sowas... Wie kommt der denn da hin?
Mimi ist komplett frei jeglicher Schuldgefühle und hat längst andere Möglichkeiten im Haus gefunden, das Haupt zur Ruhe zu betten. Manchmal benötige ich eine halbe Stunde, bis ich sie gefunden habe.
Das Hochbett meiner Tochter ist neben der Badewanne, Lara’s Kleiderschrank und dem Hohlraum hinter dem Rollcontainer, in dem ich meine beruflich benötigten Dokumente aufbewahre, der derzeit letzte Schrei. Aufgrund der Höhe des Bettes und des Blickwinkels schräg nach oben ist sie dort eigentlich kaum zu sehen, wenn sie sich hinter dem Kopfkissen lang macht. Wenn ich sie nun suche, macht sie keinen Mucks, sie denkt: Wenn ich mich ruhig verhalte, geht er vielleicht wieder…
Da sie aber, anders als ihre Kollegin, leichtfüßig und schnell unterwegs ist, taucht sie dann oft trotzdem unerwartet und unversehens neben mir auf, sie kündigt sich nicht an, man hört sie nicht kommen und aus großen Höhen kommt sie, wenn es erforderlich ist, irgendwie auch äußerst leise herunter und das macht jedes Geschäft an der Haustür zu einer Zitterpartie.
Ich weiß gar nicht mehr, wie langweilig das Alles war, bevor die beiden bei uns eingezogen sind… Tür auf, Paket 'rein, fertig.
Öde, eigentlich. Kann ja jeder.
Gruß, der Sepp