Tag 110, 111, 112 – Durstige Rentiere
Moin!
Bist du sicher, dass deine Mädels keine Jungs sind?
Ja, definitiv, oder wir haben die unfähigste Tierärztin westlich des Amazonas, und das glaube ich eigentlich eher nicht. Sie sind halt kreativ, unsere Mädels, auch beim Pinkeln, und haben vermutlich unbändigen Spaß an meinem Gesichtsausdruck und an den impulsiven Lauten, die ich beim Reinigen dann so von mir gebe, wenn ich die kleinen Überraschungen finde, die sie immer so sorgfältig für mich vorbereitet haben.
…was mich daran erinnert, dass wir eben, als Lara, von unserem Jaguar begleitet, in’s Bett gegangen ist, ebenfalls Überraschungen vorbereitet haben, wir haben Nikolaus gespielt. Unsere Tochter hat dieses Jahr den Kaminbereich als Ort des Geschehens erwählt, das liegt möglicherweise an den ganzen derzeit in Mode befindlichen amerikanischen Fernsehserien, demzufolge hängen nun diverse Strümpfe am Kaminsims, von den Katzen misstrauisch beäugt. Was soll denn jetzt der Unfug?
Ich hab’s übrigens kontrolliert, sie sind tatsächlich noch ungetragen, bei 11-jährigen beinahe-Erwachsenen nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit, und man kann ja nie wissen…
Für den Nikolaus liegen nun also Vanille-Kipferl und Spekulatius auf einem Teller bereit, als kleine Stärkung, wenn er denn kommt, für seine Rentiere steht ein großer Becher Wasser auf dem Boden. Lara hat alles gerichtet, emsig und mit großem Ernst, wie jedes Jahr. Ich glaube, sie tut das mittlerweile hauptsächlich uns zuliebe, in ihrem Alter, gepaart mit der erforderlichen Lebenserfahrung und der Weisheit der Schulkameraden, was derartige Dinge angeht, weiß man schließlich, dass der Nikolaus, ebenso wie der Weihnachtsmann und der Osterhase, wahrscheinlich lediglich Erfindungen der Konsumgüter-Industrie sind.
Obwohl, so ganz sicher ist sie sich da auch wieder nicht, da können die Anderen sagen, was sie wollen. Was, wenn sie die Existenz des Mannes mit der Bischofsmütze und dem Rauschebart nun ebenfalls leugnet, und dann bleibt morgen der Strumpf leer? Könnte ja sein. Und dann?
Aber die Haupt-Motivation an diesen Ritualen liegt ursächlich wohl in tiefem Mitleid mit uns, wir haben ihre ersten Lebensjahre höchst engagiert damit verbracht, ihr all‘ die Geschichten um die saisonal unterschiedlichen Gabenbringer zu vermitteln und sie mit Leben zu füllen, so dass sie uns nun die Illusion nicht kaputtmachen möchte.
Genau wie Ostern, beispielsweise. Irgendwie hat es sich in Lara’s frühen Jahren eingebürgert, dass uns unser Osterspaziergang immer genau entlang der Route des Osterhasen führt, der beim Hoppeln, auf seinem Weg zu all’ den Kindern, die eine oder andere Süßigkeit im Grün am Wegesrand verloren hat. Meine Frau und ich sind dabei ein eingespieltes Team, einer lenkt das Kind ab, während der andere das Schoko-Ei treffsicher in das nächstgelegene Grasbüschel wirft. Lara stört es dabei auch wenig, dass das Ei gelegentlich noch leicht nachrollt, wenn sie es entdeckt. Sie spielt mit, wo wir doch so überzeugt davon sind…
Letzte Ostern waren wir auch ein paar Tage in Österreich, der Osterspaziergang ging sinnigerweise die Stufen zu einer der größten Skisprungschanzen dort hinauf, und ein Ei mussten wir als Totalverlust verbuchen, weil keiner, auch nicht unsere Tochter, bereit war, dem Ding die 1000 Stufen, die wir gerade herauf gedackelt waren, wieder hinunter zu folgen, einem wild rollenden und tanzenden Schoko-Teil hinterher… Ich hatte es unachtsam geworfen, aber Lara klärt die Sachlage durch die Bemerkung, da müsse wohl eben jemand dagegen gestoßen sein… Ein Tier, vielleicht…
Keine Erklärung gab es übrigens dafür, wieso der Osterhase denn nun überhaupt ausgerechnet auf eine Skisprungschanze gehoppelt ist.
Das Wasser für die Rentiere haben wir demzufolge gerade wieder entsorgt, bevor sich unsere Miezen darüber hermachen, damit haben schließlich die Paarhufer gierig ihren Durst gestillt, und auch die Kekse für deren Boss sind bereits den Weg alles Irdischen gegangen. Damit das Bild morgen früh stimmt.
Unsere Mäuse bekommen dann übrigens Hühnermägen, ihre Leibspeise, auch für sie soll natürlich der Nikolaus kommen.
Dabei hatten sie heute einen harten Tag. Wir fahren gerade eine zweigleisige Strategie, was das unaufhaltsam näher rückende Weihnachtsfest angeht, einerseits suchen wir immer noch einen vertrauenswürdigen Katzen-Sitter, aber andererseits versuchen wir die Zwei, für den Fall, dass wir niemanden finden und sie dann doch mit uns nach Österreich kommen, nach Rücksprache mit unserer Tierärztin schon mal an’s Autofahren zu gewöhnen, auch natürlich, um herauszufinden, ob es überhaupt so funktionieren könnte.
Und, es klappt eigentlich ganz gut. Wir hatten letztens zwei neue Transportkörbe gekauft, die stehen nun im Flur und es ist gar nicht schwer, die zwei dort erfolgreich und vor allem friedlich hinein zu bugsieren. Mimi trottet ganz von selbst, ihren Leckerlies folgend, in die Kiste, während Lilly doch wesentlich misstrauischer ist. Sie weiß, was kommt, aber die Gier überwiegt, für Dreamies lässt sie dann doch jede Vorsicht fahren, und man muss nur noch ihr Hinterteil ein wenig in den Korb drücken, bis die Tür ganz entspannt geschlossen werden kann.
Erst haben wir sie nur kurz in ihren jeweiligen Behältern gelassen, aber nun sind wir auf Level 2, wir transportieren sie jetzt auch schon kurze Strecken mit dem Auto. Das Fahren macht ihnen offenbar noch nicht so den Riesenspaß, und sie klagen sich dabei maunzend gegenseitig ihr Leid, was aber nicht dazu führt, dass sie das nächste Mal vor der Kiste Reißaus nehmen, also scheint es nicht so schlimm zu sein.
Zur zusätzlichen Motivation liegt eine Baldrian-angereicherte Walnuss in jeder Box, und nach der Theorie hinter der ganzen Aktion ist es für uns wichtig, den Gedankengang Kiste=Tierarzt zu durchbrechen. Wenn wir nächste Woche noch mal kurz zur Kontrolle dorthin fahren, werden wir wohl besser noch einmal die alten Behältnisse nehmen, damit der Erfolg nicht gleich wieder beim Teufel ist.
Ich glaube, wenn die Fahrt erst mal überstanden ist, werden sie sich in unserer Wohnung auch wohl fühlen, die ist katzensicher, Pascha, der Kater meiner Schwiegereltern, hat bereits alle Schwachstellen ausfindig gemacht und dafür gesorgt, dass sie behoben wurden, und irgendwie finden wir den Gedanken, die beiden über die Feiertage auch bei uns zu haben, ganz verlockend.
Sie würden uns fehlen, das ist klar, unklar ist hingegen, ob wir unsere Tochter überhaupt in den Wagen bekämen, würden sie doch hierbleiben müssen. Mal schauen, wie es mit dem Autofahren weitergeht, nach einem Fiasko sieht’s jedenfalls nicht aus.
Weiterhin klar ist, dass ich nächstes Wochenende mit Lara in den nächsten Fressnapf fahren muss, für die Katzen benötigen wir unbedingt auch Weihnachtsgeschenke, und die müssen wir dort noch besorgen.
Gruß, der Sepp