Tag 213 bis 216 – Blaue Bommeln
Moin!
Gibt es noch eine Wochenendlektüre von Sepp?
Klar…
Laut Wikipedia sind schwarze Jaguare aber Panther
Unserer nicht. Das ist ein ganz besonderer Jaguar.
Der letzte Freitag war ein ganz spezieller Tag, unsere Tochter hat ihren 12. Geburtstag gefeiert, ein Ereignis, das bereits seit Monaten aus verschiedenen Gründen fieberhaft erwartet wurde. Ein vollendetes 12. Lebensjahr bringt doch eine Vielzahl erheblicher Veränderungen mit sich, so durfte ich bereits am Freitag früh, da ich mich aus gegebenem Anlass dazu bereit erklärt hatte, sie zur Schule zu fahren, um ihr die Tortur des Busfahrens zumindest an ihrem Ehrentag zu ersparen, die Sitzerhöhung, bis dahin ständiger Begleiter auf jeder Autofahrt, endgültig auf Nimmerwiedersehen in den Schuppen verbannen, während Lara damit beschäftigt ist, es sich wohlig räkelnd auf dem Beifahrersitz, der bislang für sie tabu gewesen ist, bequem zu machen und diesen für sich passend einzustellen.
Meine Frau findet übrigens gerade Letzteres in höchstem Maße unterhaltsam.
Es gab außerdem das längst und heiß ersehnte Holland-Rad, alle coolen Mädchen fahren so ein Ding, und dieses Holland-Rad fährt man grundsätzlich ohne Helm, schließlich ist man kein Baby mehr, wie meine Frau und ich mittags von unserem Kind belehrt werden. Zu unserem Leidwesen ist uns tatsächlich aufgefallen, dass zur Zeit wirklich sämtliche Fahrrad-fahrenden weiblichen Wesen zwischen 12 und 25 fast ausnahmslos auf Holland-Rädern hocken und keine, aber auch wirklich keine davon trägt einen Helm.
Hmmm.
Da fliegen an solch einem Tag mal eben sämtliche sicherheitsrelevanten Einrichtungen, bis hierher aus dem täglichen Gebrauch nicht wegzudenken, über Bord. Nicht auszudenken, was als Nächstes passiert.
Andererseits, als ich in dem Alter war, war der Fahrradhelm noch gar nicht erfunden. Das Fahrrad schon.
Neben dem neuen Rad, das jetzt eine Woche lang bei mir im Büro alle Bewegungen im Raum erheblich eingeschränkt hat und nun von meiner Frau leicht neidisch betrachtet wird, gab es natürlich noch eine Menge anderer Dinge, so zum Beispiel eine neue Mütze mit passendem Schal, selbst gestrickt von Lara’s Mutter.
Jetzt gibt es sicher viele Heranwachsende, die neue Schals oder Mützen, gerade, wenn sie selbstgemacht sind, nicht unbedingt für den Gipfel der modischen Evolution halten, aber zu dieser Gattung gehört unser Kind zum Glück nicht, was zum einen am passenden modischen Gespür meiner Frau liegt, und zum anderen einfach darin begründet ist, dass ihr eigentlich gar nichts anderes übrigbleibt…
…weil ihr besitzwahrendes Verhalten nachhaltig und schwer gestört ist, was derlei Strickprodukte angeht, egal, ob gekaufte oder selbstgebastelte, und es sind auch keine Handschuhe, Ohrenwärmer oder Übersocken, die verloren gehen, es sind immer Schals und Mützen, weiß der Teufel, warum das so ist.
Dabei hatte sie schon so coole Ensembles, passend zueinander, und da wir das dauernd tun, erinnern wir uns, wenn wir Fotos aus vergangen Jahren, ja sogar Monaten, sehen, meist genau, wo das war, als wir diesen Halswärmer oder jene Kopfbedeckung gekauft hatten oder unter welchen Umständen meine Frau die Wolle dafür aufgetrieben hat.
Ich weiß nicht, ob sie die Dinger schlicht irgendwo verschusselt oder ob an ihrer Schule eine kriminelle Bande im organisierten Schwarz-Strickmützen-Geschäft tätig ist, jedenfalls leben solche Dinge bei uns, leider, nicht lange.
So kommt es auch, dass meine Frau die Abende, als ich länger unterwegs war, mit ihren Stricknadeln vor dem Fernseher verbringt, weil es mal wieder Mützen-Notstand hat. Wir hatten, während unseres Österreich-Urlaubes, am Attersee in einem kleinen Geschäft eine extrem lässige Woll-Strickmütze mit Schirm erstanden, die fast bis Ende Februar gehalten hat, und dann, wie all‘ ihre Vorgänger, irgendwie in’s Nirwana entschwunden ist.
Buff, einfach so, einfach weg. Spurlos. Keine Ahnung, wie das passiert ist.
Diese Mütze soll nun also, zum Geburtstag, durch ein neues Modell ersetzt werden, meine Frau hat ein ganz besonderes Garn dafür besorgt, blau, mit kleinen, ultraweichen Bommeln darin, das Ding soll nachher so aussehen, als wären lauter kleine Watte-Pads aneinandergeklebt.
Die zeitliche Planung der Mützenproduktion war perfekt, das Garn war rechtzeitig besorgt worden und ausreichend Freiraum am Abend zum Stricken stand ebenfalls zur Verfügung. Eine Unwägbarkeit wurde allerdings nicht einkalkuliert, und die bringt jetzt den ganzen Ablauf in‘s Wanken: Der Tiger trottet vorbei, gerade Abendbrot gehabt und nun auf der Suche nach einem ruhigen, ungestörten Plätzchen, und er entdeckt spontan das Garnknäuel, das mit dem Fortschritt der Mütze lustig auf dem Boden herumhüpft, die tollen Bommeln findet er mindestens ebenso schön wie wir, und genauso herrlich weich auch…
Der Tiger ist ein kurzentschlossenes Tier, und so zögert er nicht lange, er schnappt sich sofort den ganzen Garnbollen und ist nicht gewillt, ihn für den weiteren Verlauf des Abends wieder herauszurücken.
Überhaupt nicht gewillt.
Nach einigen Runden durch’s Wohnzimmer wird relativ schnell klar, dass meiner Frau nichts anderes übrig bleiben wird, als dieses Garn als Totalverlust abzuschreiben. Sie hat mehr gekauft, schon allein deshalb, weil der Besitz der Mütze vermutlich nicht dauerhaft sein wird, und so überlässt sie schließlich dieses Knäuel unserer Erstkatze, die den restlichen Abend den größten Spaß damit hat und sich erst gegen später erschöpft zum Ausruhen hinsinken lässt.
Es gestaltet sich selbst vor dem Zubettgehen einigermaßen schwierig, die Katze aus dem Garn-Gewurstel wieder heraus zu frickeln.
Lara ist von ihrer neuen Mütze begeistert, besonders, nachdem sie die Bilder dazu gesehen hat. Sie hat versprochen, besonders gut darauf aufzupassen.
Das lässt hoffen.
Gruß, der Sepp