Sepp
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Tag 217 bis 219 - Die Zahnfee
Moin!
Wie einige vielleicht aus der Lektüre bisher herauslesen konnten, sind meine Frau und ich hin und wieder, besonders am Wochenende, des Abends unterwegs, um uns diversen profanen Vergnügungen hinzugeben. Manchmal ist es ein simples Bier außer Haus, das uns treibt, ein anderes Mal sind es tiefergehende kulturelle Genüsse, Bauch und Kopf werden bedient, je nach Lust und Laune.
Letztes Wochenende waren es mehr unsere Köpfe, die versorgt wurden. Gelegentlich gehen wir gern in’s Theater, wenn es etwas Interessantes zu sehen gibt, und meine Frau hatte mir freundlicherweise Karten für ein Stück in einem unserem hiesigen Stadttheater angeschlossenen Theaterclub geschenkt, dort gibt es eher die experimentellen und ungewöhnlichen Aufführungen, auf das klassische „Sein oder Nicht-Sein“ wartet man hier vergebens.
Allerdings gibt es dort auch Abende, an denen man die Vorstellung mit einem zum Fragezeichen verknüllten Gesicht verlässt, nicht alles, was sich ein allen irdischen Dingen völlig entschwebter Bühnenautor oder auch ein wagemutiger Intendant so alles ausdenkt, erschließt sich dem durchschnittlich begabten Normalsterblichen auf Anhieb. Manches ist trotz Sinnleere, oder gerade deshalb, auch lustig, fast lächerlich, ab und an, anderes hinterlässt uns verunsichert, liegt das jetzt eventuell an uns? Reichen die Kapazitäten womöglich nicht mehr aus, derlei Dinge zu verstehen? Da muss sich doch einer was dabei gedacht haben. Eigentlich.
Oder?
Der letzte Samstag war kein Abend von dieser Sorte, die Darbietung war ungewöhnlich zwar, Adam Schaf hat Angst, der Name lässt schon auf spannende Enthüllungen hoffen, warum hat er wohl Angst, und vor wem oder was? Aber die Fragezeichen bleiben da, wo sie hingehören, nämlich vor dem Stück, der tiefere Sinn ist durchaus zu verstehen und das Ganze gleichermaßen unterhaltsam.
Derlei abendlichen Vergnügungen können wir uns nun schon seit einigen Jahren hingeben, seit unsere Tochter mit 8 ihr erstes Handy bekommen hat, zugegebenermaßen ursprünglich mit eben diesem Hintergrund, damit wir in Österreich, wo es kein Telefon in der Wohnung gibt, gegen später noch ein Erfrischungsgetränk im Ort einnehmen können und sie sich, bei Bedarf, bei uns melden kann. Da Lara nie Angst hatte, allein zu sein, war das kein Problem.
Es ist überhaupt äußerst selten, dass sie abends anruft, wenn wir weggehen, sie nutzt es wirklich nur im Notfall. Der letzte Anruf unseres Kindes ist ein gutes Dreivierteljahr her und fand an Lilly’s erstem Wochenende nach ihrem Einzug bei uns statt.
Die ganze Woche davor war entsprechend aufregend, spannend, neuer Familienzuwachs, und im Nachbarsort lockt nun eine Fete, Ortsfest, Bierbuden, Musik und Bratwurst verheißen da wirkungsvolle Entspannung.
Schon das Losgehen ist …schwierig. Lilly, an sich noch in der Phase, in der sie jedem von uns, der nur in ihrer Nähe vorbeiläuft, herzhaft auf die Füße drischt, bekommt auf einmal plötzlich Verlustängste und drängt sich, als wir uns anziehen, ständig maunzend zwischen uns und die Wohnungstür. Wir sollen dableiben, das scheint klar. Lara lockt sie schließlich mit Leckerlie’s in die Küche und verspricht, mit ihr zu spielen, bis sie müde ist.
Wir drücken uns aus dem Haus und stehen eine Viertelstunde später fröhlich an dem ersten Bierstand, dessen wir habhaft werden können, wo wir allerdings nach der zweiten Bestellung feststellen, dass so ein eiskalter Becher in der Hand bei den zu dieser Zeit herrschenden 11°C auf die Dauer nicht das Wahre ist, es ist ziemlich schattig, und so beschließen wir, uns stattdessen in eine unserer Lieblingskneipen zu hocken.
Es ist nur gerade um’s Eck, wir setzen uns gemütlich, aber nur, um das Lokal keine 5 Minuten später zügig und vor allem ungetrunken wieder zu verlassen. Lara hat angerufen, die Katze war erst müde und hat sich hingelegt und kratzt jetzt ständig jaulend an ihre Zimmertür, nun will sie schlafen, sie muss doch morgen üben, was soll sie denn tun?
Da wir wissen, dass Lara nur anruft, wenn es wirklich ernst ist, ist es wirklich ernst.
Als wir etwa 15 Minuten später daheim eintreffen, schläft das Kind. Die Katze auch. Hmmm. Toll.
Wir verbuchen das unter „gegenseitige Gewöhnung“, der Katze, nicht der Tochter wegen, ziehen das nächste Getränk aus dem heimischen Kühlschrank und lassen es gut sein für diesen Abend.
Letzten Samstag hatten wir Glück, Lara wusste um unseren Theaterbesuch und hat, obwohl sie ordentlich verunsichert war, nicht angerufen. Aber sie hat uns einen Brief geschrieben, der, als wir nach einem Umtrunk, den wir nach der Aufführung noch mit Bekannten in der Theaterkneipe veranstaltet haben, schließlich nach Hause kommen, seiner Dringlichkeit entsprechend mittig auf dem blau-oliven schwedischen Teppich im Flur liegt.
Nun ist es so, dass ich, wenn ich etwas lesen möchte, gerne zur Brille greife. Tue ich das nicht, sehe ich schön gleichmäßig verschwommen grau. Oder hellblau, wenn es mit blauer Tinte geschrieben ist. So ist es auch bei diesem Brief, bis auf 4 Worte im unteren Drittel: UND ER HAT GEWACKELT, brüllt es mich an, diese Zeile kann ich prima auch ohne Lesehilfe erkennen, so groß ist sie geschrieben. Die 5 Ausrufezeichen darunter sehe ich aus gleichen Gründen ebenfalls glasklar.
Mein Gott, der Fernseher? Kann nicht, das alte Ding ist definitiv zu schwer für eine Katze, selbst für zwei, selbst, wenn sie zusammenarbeiten. Den krieg' ich ja nicht gehoben. Computer? Küchentisch? CD-Ständer? Womöglich der Bar-Schrank mit meiner Wodka-Sammlung? Was, um alles in der Welt, können sie hier im Haus derart anstoßen, dass es wackelt und daraufhin unsere Tochter solchermaßen in Aufregung versetzt, dass sie uns so eine Nachricht hinlegt? Meine Frau hat ein Einsehen, und während sie selbst das Pamphlet liest, zieht sie gleichzeitig eine meiner überall an strategisch wichtigen Orten deponierten Lesebrillen aus ihrer Handtasche, und das Geheimnis lichtet sich.
Mimi hat auf Lara’s Bett gesessen, als unsere Tochter sich mit Harry Potter Teil 2 vergnügt und dabei die Katze gekrault hat, hat gemaunzt, sich das Mäulchen geleckt und dabei einen ihrer unteren kleinen Zähne bewegt, und der hat gewackelt.
Wir klappern mit der Betthupferl-Packung, sofort kommen beide Mädels angetrabt, und tatsächlich, als wir trotz ihres Protestes den Status begutachten, sehen wir die Bescherung, Mimi hat einen Wackelzahn. Das Ganze sieht nun nicht wirklich dramatisch aus, sie scheint keine Probleme zu haben und frisst ganz normal, also beschließen wir, dass die Zahnfee erst am Montag kommen wird, während unsere Tierärztin ihre reguläre Sprechstunde hat. Wir hätten eh‘ nochmal hingemusst, da Lara dort demnächst ihr Praktikum zum "Girl’s Day" machen wird und dazu noch ein wenig Papierkram erforderlich ist, so kaspern wir halt gleich alles auf einmal ab.
Die Nummer mit dem Zahn ist mit einer lokalen Betäubung schnell erledigt, der Jaguar hat doppelt Glück, nur gesprüht, nicht gespritzt, und erfreulicherweise ist der Zahnverlust vermutlich nicht auf eine größere Entzündung zurückzuführen, im Auge behalten, wir bekommen eine anzurührende Lösung mit, falls sich das Zahnfleisch noch röten sollte, und den Rat, jetzt ein paarmel ein wenig konzentrierte Kamille darauf zu reiben.
Wir halten wirklich viel von dieser Tierärztin, allein, wie sie sich das mit der Kamille genau vorgestellt hat, bleibt allerdings völlig unklar. Wenn Mimi nur den Geruch wahrnimmt, wird sie in Sekundenbruchteilen unsichtbar. Vergiss es, nicht den Hauch einer Chance.
Interessanterweise wird übrigens beim Tiger, der natürlich auch dabei war, festgestellt, dass er sich eine klitzekleine Ecke eines Eckzahns abgebrochen hat, kein Problem so weit, vom Wurzelkanal noch weit weg, unproblematisch, wird wohl beim Herabspringen passiert sein, auf dem Küchenboden vielleicht, wohl ein bisschen zu heftig genickt dabei.
Die Zahnfee kommt also zu beiden.
Gruß, der Sepp
Moin!
Wie einige vielleicht aus der Lektüre bisher herauslesen konnten, sind meine Frau und ich hin und wieder, besonders am Wochenende, des Abends unterwegs, um uns diversen profanen Vergnügungen hinzugeben. Manchmal ist es ein simples Bier außer Haus, das uns treibt, ein anderes Mal sind es tiefergehende kulturelle Genüsse, Bauch und Kopf werden bedient, je nach Lust und Laune.
Letztes Wochenende waren es mehr unsere Köpfe, die versorgt wurden. Gelegentlich gehen wir gern in’s Theater, wenn es etwas Interessantes zu sehen gibt, und meine Frau hatte mir freundlicherweise Karten für ein Stück in einem unserem hiesigen Stadttheater angeschlossenen Theaterclub geschenkt, dort gibt es eher die experimentellen und ungewöhnlichen Aufführungen, auf das klassische „Sein oder Nicht-Sein“ wartet man hier vergebens.
Allerdings gibt es dort auch Abende, an denen man die Vorstellung mit einem zum Fragezeichen verknüllten Gesicht verlässt, nicht alles, was sich ein allen irdischen Dingen völlig entschwebter Bühnenautor oder auch ein wagemutiger Intendant so alles ausdenkt, erschließt sich dem durchschnittlich begabten Normalsterblichen auf Anhieb. Manches ist trotz Sinnleere, oder gerade deshalb, auch lustig, fast lächerlich, ab und an, anderes hinterlässt uns verunsichert, liegt das jetzt eventuell an uns? Reichen die Kapazitäten womöglich nicht mehr aus, derlei Dinge zu verstehen? Da muss sich doch einer was dabei gedacht haben. Eigentlich.
Oder?
Der letzte Samstag war kein Abend von dieser Sorte, die Darbietung war ungewöhnlich zwar, Adam Schaf hat Angst, der Name lässt schon auf spannende Enthüllungen hoffen, warum hat er wohl Angst, und vor wem oder was? Aber die Fragezeichen bleiben da, wo sie hingehören, nämlich vor dem Stück, der tiefere Sinn ist durchaus zu verstehen und das Ganze gleichermaßen unterhaltsam.
Derlei abendlichen Vergnügungen können wir uns nun schon seit einigen Jahren hingeben, seit unsere Tochter mit 8 ihr erstes Handy bekommen hat, zugegebenermaßen ursprünglich mit eben diesem Hintergrund, damit wir in Österreich, wo es kein Telefon in der Wohnung gibt, gegen später noch ein Erfrischungsgetränk im Ort einnehmen können und sie sich, bei Bedarf, bei uns melden kann. Da Lara nie Angst hatte, allein zu sein, war das kein Problem.
Es ist überhaupt äußerst selten, dass sie abends anruft, wenn wir weggehen, sie nutzt es wirklich nur im Notfall. Der letzte Anruf unseres Kindes ist ein gutes Dreivierteljahr her und fand an Lilly’s erstem Wochenende nach ihrem Einzug bei uns statt.
Die ganze Woche davor war entsprechend aufregend, spannend, neuer Familienzuwachs, und im Nachbarsort lockt nun eine Fete, Ortsfest, Bierbuden, Musik und Bratwurst verheißen da wirkungsvolle Entspannung.
Schon das Losgehen ist …schwierig. Lilly, an sich noch in der Phase, in der sie jedem von uns, der nur in ihrer Nähe vorbeiläuft, herzhaft auf die Füße drischt, bekommt auf einmal plötzlich Verlustängste und drängt sich, als wir uns anziehen, ständig maunzend zwischen uns und die Wohnungstür. Wir sollen dableiben, das scheint klar. Lara lockt sie schließlich mit Leckerlie’s in die Küche und verspricht, mit ihr zu spielen, bis sie müde ist.
Wir drücken uns aus dem Haus und stehen eine Viertelstunde später fröhlich an dem ersten Bierstand, dessen wir habhaft werden können, wo wir allerdings nach der zweiten Bestellung feststellen, dass so ein eiskalter Becher in der Hand bei den zu dieser Zeit herrschenden 11°C auf die Dauer nicht das Wahre ist, es ist ziemlich schattig, und so beschließen wir, uns stattdessen in eine unserer Lieblingskneipen zu hocken.
Es ist nur gerade um’s Eck, wir setzen uns gemütlich, aber nur, um das Lokal keine 5 Minuten später zügig und vor allem ungetrunken wieder zu verlassen. Lara hat angerufen, die Katze war erst müde und hat sich hingelegt und kratzt jetzt ständig jaulend an ihre Zimmertür, nun will sie schlafen, sie muss doch morgen üben, was soll sie denn tun?
Da wir wissen, dass Lara nur anruft, wenn es wirklich ernst ist, ist es wirklich ernst.
Als wir etwa 15 Minuten später daheim eintreffen, schläft das Kind. Die Katze auch. Hmmm. Toll.
Wir verbuchen das unter „gegenseitige Gewöhnung“, der Katze, nicht der Tochter wegen, ziehen das nächste Getränk aus dem heimischen Kühlschrank und lassen es gut sein für diesen Abend.
Letzten Samstag hatten wir Glück, Lara wusste um unseren Theaterbesuch und hat, obwohl sie ordentlich verunsichert war, nicht angerufen. Aber sie hat uns einen Brief geschrieben, der, als wir nach einem Umtrunk, den wir nach der Aufführung noch mit Bekannten in der Theaterkneipe veranstaltet haben, schließlich nach Hause kommen, seiner Dringlichkeit entsprechend mittig auf dem blau-oliven schwedischen Teppich im Flur liegt.
Nun ist es so, dass ich, wenn ich etwas lesen möchte, gerne zur Brille greife. Tue ich das nicht, sehe ich schön gleichmäßig verschwommen grau. Oder hellblau, wenn es mit blauer Tinte geschrieben ist. So ist es auch bei diesem Brief, bis auf 4 Worte im unteren Drittel: UND ER HAT GEWACKELT, brüllt es mich an, diese Zeile kann ich prima auch ohne Lesehilfe erkennen, so groß ist sie geschrieben. Die 5 Ausrufezeichen darunter sehe ich aus gleichen Gründen ebenfalls glasklar.
Mein Gott, der Fernseher? Kann nicht, das alte Ding ist definitiv zu schwer für eine Katze, selbst für zwei, selbst, wenn sie zusammenarbeiten. Den krieg' ich ja nicht gehoben. Computer? Küchentisch? CD-Ständer? Womöglich der Bar-Schrank mit meiner Wodka-Sammlung? Was, um alles in der Welt, können sie hier im Haus derart anstoßen, dass es wackelt und daraufhin unsere Tochter solchermaßen in Aufregung versetzt, dass sie uns so eine Nachricht hinlegt? Meine Frau hat ein Einsehen, und während sie selbst das Pamphlet liest, zieht sie gleichzeitig eine meiner überall an strategisch wichtigen Orten deponierten Lesebrillen aus ihrer Handtasche, und das Geheimnis lichtet sich.
Mimi hat auf Lara’s Bett gesessen, als unsere Tochter sich mit Harry Potter Teil 2 vergnügt und dabei die Katze gekrault hat, hat gemaunzt, sich das Mäulchen geleckt und dabei einen ihrer unteren kleinen Zähne bewegt, und der hat gewackelt.
Wir klappern mit der Betthupferl-Packung, sofort kommen beide Mädels angetrabt, und tatsächlich, als wir trotz ihres Protestes den Status begutachten, sehen wir die Bescherung, Mimi hat einen Wackelzahn. Das Ganze sieht nun nicht wirklich dramatisch aus, sie scheint keine Probleme zu haben und frisst ganz normal, also beschließen wir, dass die Zahnfee erst am Montag kommen wird, während unsere Tierärztin ihre reguläre Sprechstunde hat. Wir hätten eh‘ nochmal hingemusst, da Lara dort demnächst ihr Praktikum zum "Girl’s Day" machen wird und dazu noch ein wenig Papierkram erforderlich ist, so kaspern wir halt gleich alles auf einmal ab.
Die Nummer mit dem Zahn ist mit einer lokalen Betäubung schnell erledigt, der Jaguar hat doppelt Glück, nur gesprüht, nicht gespritzt, und erfreulicherweise ist der Zahnverlust vermutlich nicht auf eine größere Entzündung zurückzuführen, im Auge behalten, wir bekommen eine anzurührende Lösung mit, falls sich das Zahnfleisch noch röten sollte, und den Rat, jetzt ein paarmel ein wenig konzentrierte Kamille darauf zu reiben.
Wir halten wirklich viel von dieser Tierärztin, allein, wie sie sich das mit der Kamille genau vorgestellt hat, bleibt allerdings völlig unklar. Wenn Mimi nur den Geruch wahrnimmt, wird sie in Sekundenbruchteilen unsichtbar. Vergiss es, nicht den Hauch einer Chance.
Interessanterweise wird übrigens beim Tiger, der natürlich auch dabei war, festgestellt, dass er sich eine klitzekleine Ecke eines Eckzahns abgebrochen hat, kein Problem so weit, vom Wurzelkanal noch weit weg, unproblematisch, wird wohl beim Herabspringen passiert sein, auf dem Küchenboden vielleicht, wohl ein bisschen zu heftig genickt dabei.
Die Zahnfee kommt also zu beiden.
Gruß, der Sepp