So, wie angedroht, schwelge ich jetzt in Erinnerungen.
Anfang der 70er bekam meine Stiefschwester zwei Perser. Das war damals ungefähr so, wie heute zwei Savannahs. Wer ein Haustier kaufte, kaufte einen Rassehund. Katzen bekam man vom Bauernhof, oder sie liefen einfach zu. Katzen waren böse, nicht erziehbar und nur zum Mäuse fangen gut. Wer zwei Rassekatzen hatte, unterschied sich, mit seinem extravaganten Stiel, vom Mainstream.
Ende der 70er wollte ich dann auch einen Perser haben und kaufte die erste Katze meines Lebens, einen Kater. Ja, er war allein, nein, das hat niemanden gestört. Ehrlich gesagt, glaube ich, es hat auch den Kater nicht besonders gestört. Übrigens kostete ein Perser damals etwa 600 DM. Das war viel Geld für mich. Zwei auf einmal hätte ich nicht bezahlen können. Mit einer Rassekatze, wurde man schon verwundert angesehen. Wer damals so esoterische Themen ansprach, wie soziales Verhalten, bei Katzen, war ein Spinner. Meine damalige Freundin und ich kamen dann etwas später von allein auf die Idee, eine 2. Katze wäre schön. Gesagt getan, bei der gleichen Züchterin, bekamen wir noch ein Kätzchen dazu, glücklicherweise, wie sich ein Jahr später zeigte, aus einer anderen Zuchtlinie.
Kastration von Katzen war die Ausnahme, und wenn, dann erst im erwachsenen Alter und nur bei Wohnungskatzen, wenn sie markierten. Es galt die einhellige Meinung, wenn Katzen das erste mal rollig werden, machen sie ein riesen Geschrei. Das ist unmöglich zu überhören. Dann trennt man Kater und Katze, wenn man keinen Nachwuchs will. Kastriert wird erst danach, wenn überhaupt. Zugegeben, die Züchterin war auch damals schon anderer Meinung, aber Tante Erna sah es eben so. Das Wissen über Katzen, auch bei den Besitzern, war gleich null.
Blöderweise hielt unser Pärchen nichts, von solchem Unwissen. Sie machten überhaupt kein Geschrei, aber irgendwann wunderte ich mich, warum meine Katze immer mehr frisst und fett wird. Heute erscheint mir selbst soviel Naivität befremdlich, aber vor 35 Jahren tickten wir alle noch anders. Eines Abends verschwand sie aus meinem Bett und zog sich zurück. Am nächsten Morgen waren bereits 2 Kitten da. Bei den folgenden 2 konnte ich die Geburt noch miterleben. Glücklicherweise wusste Mamakatze genau was zu tun ist. Der Ignorant, der ihr zusah, war für sie unwichtig.
Das Kater sich nicht, für ihren Nachwuchs, interessieren, stimmt nicht. Ich teilte mir die Vaterfreuden ehrlich, mit meinem Kater. Die nächsten Tage habe ich dann die Uni geschwänzt. Es gab plötzlich so viel zu tun. Der erste Anruf galt einem Tierarzt, der Zweite der Züchterin. Gut, ihr tippt euch jetzt an die Stirn, das erlaube hiermit öffentlich. Die Züchterin hat nur schallend, über den weltfremden Studenten, gelacht. Jetzt bekam ich einen Crashkurs in Kittenpflege, Stammbäume, usw. Mir wurde langsam klar, was ich angerichtet hatte, aber der Stolz über meine wunderschönen, gesunden Kitten überwog bei weitem. Richtig schlecht ging es mir erst, als ich zum ersten mal Kitten, in fremde Hände, abgeben musste. Zu Anfang habe ich ernsthaft überlegt, sie einfach alle zu behalten. Der Trennungsschmerz, war immer das Schlimmste für mich.
Organisiert war man im "Ersten deutschen Rassekatzenverband". Gibt es den heute überhaupt noch? Es etablierte sich wenig später noch ein Konkurrenzverein, warum weiß ich nicht mehr. Die Rassen waren ohnehin überschaubar. Gezüchtet wurde zuerst Siam und Perser. Kartäuser und Birma etablierten sich gerade. Von Coonis, Norwegern oder Exoten war man noch weit entfernt.
Das Wort Genetik konnten nur gebildete Leute schreiben. Etwas anfangen konnte damit erst recht niemand. Man wusste ein Wenig von der Vererbung. Es war bekannt, dass sich bestimmte Farben, nur in bestimmten Zuchtlinien, vererben. Man versuchte auch schon Rassestandards zu optimieren. Daraus entstanden später die unseligen Plattnasen. Erbkrankheiten vermutete man, aber gewusst hat man wenig. Diese Problematik entwickelte sich wirklich erst, mit dem Boom der Rassekatzenzucht. In meinem damaligen Umfeld, gab es nicht einen einzige Katze, mit einem erblichen Defekt. Man vermied Inzucht, und glaubte das würde genügen. Das einzige gesundheitliche Problem, welches ich je gesehen habe, waren zwei Totgeburten, beim dritten Wurf, meiner ersten Katze. Auf Anraten des Tierarztes, wurde sie dann, sicherheitshalber, von der weiteren Zucht, ausgeschlossen. Das war damals die einfache und praktikable Methode, mögliche Fehler auszuschließen. Eine Katze mit Problemen wurde nicht weiter vermehrt. So einfach ging das.
Im folgenden Jahr stockte ich meine Familie, um zwei weitere Katzen, auf. Meine damalige Freundin arbeitete bereits und wir hatten ein Haus, mit großem Garten, so dass ich genug Platz hatte. Es folgten noch fünf weitere Würfe, dann kam das Ende meines Studiums und ich ließ Alle kastrieren. Naja, genau genommen waren es mehr als fünf Würfe. Unser Kater hatte jetzt Blut geleckt und begann die Damen in der Nachbarschaft zu besuchen. Darüber hat sich niemand aufgeregt. Man betrachtete es als Lauf der Natur. Die Nachkommen waren hübsche Tiere, mit halblangem Fell, die leicht ein Zuhause fanden. Viele blieben in meinem Freundeskreis. Daher weiß ich auch, dass sie alle gesund alt wurden.
Es gab allerdings noch einen zweiten Grund, warum ich aufgehört habe. Bei Zwei von meinem Abnehmern habe ich gründlich daneben gegriffen. Ein Kater wurde, von einem Rentnerpärchen, mit Enkelkomplex, buchstäblich zu Tode gefüttert. Eine Katze ging an ein junges Mädchen und kam völlig verwahrlost, krank und schwer verhaltensgestört, zu mir zurück. Ich wollte danach einfach nicht mehr die Verantwortung, für solche Fehlentscheidungen, übernehmen.
Unter den Züchtern gab es kein Konkurrenzdenken. Der Kaufvertrag war ein Fünfzeiler, auf der Schreibmaschine geschrieben, oder der Handschlag reichte. Es war üblich, dass man dem Züchter einer Katze, wenn sie Kitten bekam, Eines davon schenkte, wenn er wollte. Das war nirgends aufgeschrieben, sondern Ehrensache. Niemand von uns machte sich Gedanken, ob der Käufer einer Katze ein böser Vermehrer ist, der Geld, mit armen Tieren, verdienen will. Meine Züchterin freute sich über mich, als neuen Kollegen. Niemand wäre auf die Idee gekommen, einen Vertrag aufzusetzen, indem man die Weiterzucht verbot. Es gab keinen Anlass dafür.
Inzucht vermied man, indem man "Katertausch" machte. Ich gab Zeitungsinserate auf, in denen ich anderen Züchtern anbot, ihre Katzen, von meinem Kater, decken zu lassen. Man traf sich, verglich die Stammbäume, und wenn es keine Übereinstimmungen gab, war der nächste Wurf geplant. So etwas machte man umsonst!
Wir hatten keinen Grund uns anzufeinden, weil es damals noch viel größere Probleme, in der Katzenhaltung gab, als heute. So sind wir Züchter z.B. Sturm gelaufen, gegen die wirklich kommerziellen Erzeuger von Rassekatzen. In unserem Verein gehörte es zur Satzung, dass kein Züchter seine Kitten, über Händler, verkaufen durfte. Profitorientierung war verpönt. Niemand, den ich kannte, hatte mehr als 6 Zuchtkatzen.
Als dann langsam Perser in Mode kamen, haben Kaufhausketten einfach ihre eigenen Vereine gegründet. Die Erzeuger der Ware "Katze" waren dann wirklich Vermehrer.
Die Kitten kamen, sowie es möglich war, in die Zooabteilungen von Kaufhäusern. Dort wurden sie in Aquarien zum Kauf angeboten. Nein, das ist kein makaberer Witz, sondern traurige Wahrheit. Natürlich waren die Kaufhäuser billiger, als ein Hobbyzüchter. Jetzt war Katzenzucht plötzlich ein Geschäft. Ich denke, an diesem Punkt hat viel Unfrieden, unter den Züchtern, begonnen. Wenn die Kitten das Glück hatten, schnell verkauft zu werden, war es schon schlimm genug. Wenn die Kundschaft gerade keine Blauen haben wollte, blieb die Blaue eben zurück und verendete irgendwann.
Gut, viele Dingen sind heute anders. Das Wissen ist größer. Die Tiere werden, hoffentlich nicht mehr, als Ware, gesehen, aber vielleicht verstehen jetzt Einige, warum ich immer gelassen reagiere, wenn es um Fragen geht, ob jetzt 2 Katzen genau das gleiche Alter haben müssen, oder ob auch ein Kitten, zum Senior darf.
Ich will aber auch gern einsehen, dass es heute andere Probleme gibt. Rassekatzen sind im Trend, sie sind Mode geworden. Es gibt jetzt einen großen Markt, den man bedienen kann. An dieser Stelle verstehe ich Calabrone und alle Anderen, die sich oft über unseriöse Züchter beschweren.
Wir haben uns damals bestimmt nicht als unseriös betrachtet, obwohl man heute viele Dinge ganz anders sieht, als damals.
Bleibt noch zu erwähnen, wie ich auf Maine Coons gekommen bin. Kurz bevor ich meine Zucht aufgegeben habe, kam eine junge Dame zu mir. Sie hatte eine merkwürdige, leicht langhaarige, Katze aus dem Ausland mitgebracht. Das Tier sah, mit seinem langen Körper, wildfarbenen Fell und dem Eichhörnchenschwanz sehr exotisch aus. Sie wollte gern Kitten, fand aber natürlich keinen Kater dieser Rasse. Daher bat sie mich, um meinen Perser. Das Resultat waren 7 Kitten. Wer weiß, vielleicht bin ich ja der erste Cooni-Vermehrer Deutschlands. Vielleicht hat sich, in spätere Stammbäume, heimlich ein Perser eingeschlichen, und keiner weiß es. Wir werden natürlich darüber schweigen und es niemandem erzählen!
Euer Milchbart