Ich zitiere hier zu einigen hier immer wieder angesprochenen Fragen einmal aus dem letzten Spiegel, also Nr.20 vom 09.05.2020. Darin enthalten (neben vielem anderen Lesenswerten btw.) der Artikel „Sturm im Körper“ von Philip Bethge:
Wie viele Infizierte erkranken ernsthaft:
Was löst bei schweren Verläufen die Infektion im Körper aus – dazu nur einige Absätze aus dem Artikel:
Wären die meisten Infizierten Verstorbenen sowieso innerhalb kürzester Zeit gestorben und sind sie mit oder an dem Virus verstorben?
Nein, wir haben es hier nicht mit einer Form von Grippe zu tun. Ja, diese Erkrankung hat wesentlich schlimmer Folgen, als eine Grippe, auch wenn auch an dieser Menschen versterben können. Wer das leugnet, ist in meinen Augen ein Narr. Ein Lockdown war, wenn man kühl die Faktenlage betrachtet, das einzig probate Mittel in einer Zeit, in der viel Unwissenheit vorherrschte – um unsere Gemeinschaft zu schützen. Und zwar nicht nur diejenigen, die vorerkrankt Risikogruppe sind, sondern auch diejenigen, deren Eltern, Geschwister und Kinder zu dieser Risikogruppe gehören, oder auch diejenigen, die durch ihre Arbeit gezwungen sind, sich mit der Grausamkeit dieses Virus zu befassen. Jeder von uns sollte doch wissen, dass weitaus schwerer als das eigene Sterben zu verkraften - sogar wenn dieses Sterben durch allmähliches Ersticken ausgelöst wird – der Tod und das Leiden des Nächsten zu verkraften ist.
Und nein, es ist nicht so, dass Menschen sterben, die sowieso bald gestorben wären. Es sterben Menschen, die zum Teil wesentlich, zum Teil vielleicht auch nur etwas länger hätten leben können. Sie sterben an einer Erkrankung vor ihrer Zeit. Es sterben Eltern, Geschwister, Kinder, und diese können nur wir alle schützen, oder sie eben verrecken lassen.
Ja, zum Teil leiden auch Menschen, unter der Isolation, die wir auf uns genommen haben, um alle zu schützen. Es ist an uns, etwas für diese Menschen zu tun: Telefonate, Briefe, Skype-Anrufe, Pakete oder einfach ein Blick zu einem Fenster sind direkte Möglichkeiten, ihnen die Isolation zu erleichtern, die uns allen zur Verfügung stehen. Zudem steht es uns offen, das Pflegepersonal so zu stärken, dass dieses in der Lage ist, mehr als gerade eben die notwendige körperliche Pflege einem alten oder kranken oder einsamen Menschen angedeihen zu lassen. Dafür braucht es fraglos mehr Pflegekräfte, so dass pro Pflegenden mehr Zeit aufgewendet werden kann. Dafür braucht es in unserer Leistungsgesellschaft, so traurig das ist, finanziellen Anreiz, diesen Beruf zu ergreifen. Die Zeiten, dass Menschen aus Idealvorstellungen heraus einen Beruf ergriffen, sind leider lange vorbei.
Ja, es leidet unsere Wirtschaft und das heißt, viele Einzelne, weil Wirtschaft nun einmal nicht so abstrakt ist, wie der Begriff uns manchmal glauben lässt. Leute verlieren ihre Lebensgrundlage, das kann man nicht leugnen. Uns allen aber, die wir unsere Lebensgrundlage noch haben, steht es offen, diesen Menschen zu helfen. Takeaway-Dienste ersetzen derzeit die fröhlichen Lokalrunden – nutzen wir sie, damit die Gastronomen noch zumindest ein gewisses Grundeinkommen haben. Und warum nicht einfach auch mal jemandem etwas Geld in die Hand drücken, dem das Einkommen weggebrochen ist, ohne eine Gegenleistung zu erwarten? Vermieter können entscheiden, ob es ihnen möglich ist, auf ein oder zwei Monatsmieten zu verzichten, ohne gleich selbst dabei die Lebensgrundlage zu verlieren. Das sind jetzt nur ganz willkürliche Beispiele, und ich glaube, sehr viele in diesem Forum haben noch genug und könnten abgeben. Das wäre sinnvoller, als die Weltuntergangsstimmung zu verbreiten. Wir stehen vor einer Aufgabe, gehen wir sie an, anstelle zu reden.
Und etwas, was mir sehr wichtig ist: Mir geht die Hutschnur hoch, wenn Leute Vergleiche zum Nationalsozialismus ziehen, was die Einschränkung einiger weniger Freiheiten derzeit angeht. Abgesehen davon, dass man sehr vorsichtig sein sollte, dieses dunkle Zeitalter zwecks politischer Meinungsmache zu bemühen, ist allein die Grundvoraussetzung eine ganz andere: Es werden heute Entscheidungen aus humanitären Gründen getroffen, gewisse Freiheiten einzuschränken, nicht aus machtpolitischen menschenverachtenden Gründen, wie seinerzeit. Da ist nichts vergleichbar, im Gegenteil, wer so etwas bemüht, macht sich selbst schuldig.
Wut ist und war immer ein schlechter Ratgeber. Wut ist auch nicht zukunftsorientiert. Und anstelle, dass Ihr immer weiter im gegenseitigen Wetteifer Eure Wut weiter aufstachelt, solltet Ihr endlich anfangen, Demut zu zeigen und etwas zu tun. Es gibt eine Menge zu tun, da sind wir vielleicht einig. Dann tun wir doch endlich mal etwas, anstelle zu erwarten, dass andere tun und diese dann auch noch für ihr Tun auszubuhen.
Mir fällt noch ganz viel mehr ein, was sich zu sagen lohnte. Aber ich bezweifle aus gutem Grund, dass es Sinn macht, diesen Post noch länger werden zu lassen.