Imho ist Wohnungshaltung - katzengerecht eingerichtet mit intensiver Beschäftigung und Integration ins Familienleben - keine Tierquälerei.
Wichtig ist, dass man den Tieren ausreichend Platz und Mobiliar (Kratzbäume, -matten, Liegeplätze, Catwalks etc.) zur Verfügung stellt, das allein ihnen gehört, an dem sie ihre natürlichen Bedürfnisse ausleben können. Die geistige und körperliche Beschäftigung und die Abwechslung sind wichtige Punkte.
Mir ist auch wichtig, dass sie optische und akustische Reize wahrnehmen dürfen, also Vögel, Hummeln, Bienen, Fliegen, Schmetterlinge, Spinnen etc. beobachten können und auch bedingt jagen können. Das alles können sie auch auf meinem Balkon. Sie haben zwei Katzenwiesen, die aber mehr beschnuffelt als begangen werden. Ich habe einige ungiftige Balkonpflanzen, die Hummeln und Schmetterlinge anlocken. Sie hören die Hunde der Nachbarschaft, aber auch die lauten Autos und Mopeds, die sie sehr erschrecken und irritieren. Der Wind weht ihnen um die Nase, die Sonne strahlt ihnen auf den Bauch, sogar Regentropfen bekommen sie ab.
Und so wie meine Beiden panisch reagieren, wenn ein Moped an unserem Haus in der 30er Zone vorbeifährt (von den Autofahrern hält sich kein Mensch dran, ist sogar Anliegerstrasse, aber das interessiert auch niemanden), wäre mir überhaupt nicht wohl, wenn sie da draussen unterwegs wären. Und es wäre nur eine Frage der Zeit bis ...
Imho ist auch die Integration ins Familienleben sehr wichtig. Wohnungskatzen haben nunmal nur ihre Menschen und den/die Katzenkumpel als Bezugspersonen. Leider gibt es auch genug Katzenhalter, deren Katzen einfach so mitlaufen. Sie sind halt da, bekommen ihr Supermarktfutter und das wars. Das ist für mich nicht katzengerecht, aber auch noch lange keine Tierquälerei.
"Lieber ein kurzes Leben, aber dafür richtig gelebt" - ja, das ist auch die Devise, die die Leute haben, die im Leben nichts auslassen. Meine Devise ist es nicht. Ich will mich auch nicht furchtsam in eine Ecke verkriechen und hoffen, dass mir nicht der Himmel auf den Kopf fällt - keinesfalls. Aber ich hänge schon sehr an meinem Leben und meiner Gesundheit und will sie nicht selbst bewusst schädigen (z.B. durch Rauchen, Alkohol etc.).
Ich wäge für mich schon sehr gut ab, was mir gut tut und was mir schaden könnte. Und das tue ich auch für meine Katzen, denn ich trage die Verantwortung für sie und ihr Wohlergehen, dazu bin ich sogar gesetzlich verpflichtet.
Meine Devise ist: So wenig Grenzen wie nötig, soviel Freiheit wie möglich.
Die Chance, von einem Auto oder einem anderen Tier verletzt oder getötet zu werden ist sehr gross. Und nicht immer geht es schnell und schmerzlos. Dessen muss man sich auch bewusst sein, wenn man seine Katze rauslässt. Und da geht es mir nicht darum, wie ich mich dabei fühle, sondern wie sich die Katze fühlt, wenn sie lange leiden muss und elendig zugrunde geht, alleine, da draussen, weil ich sie in eine Welt rausgelassen habe, die niemals mehr artgerecht sein kann.
Würden nur noch die Menschen Katzen halten dürfen, die Freigang gewähren, würden die Tierheime aus allen Nähten platzen. Nein, soviel Platz und finanzielle Mittel gäbe es gar nicht. Das Katzenelend würde sich nur noch vergrößern u.a. auch deswegen, weil es noch immer viel zuviele verantwortungslose Menschen gibt, die ihre Katzen unkastriert nach draussen lassen.
Interessant wäre für mich allerdings auch die Frage:
Was genau ist heute noch artgerecht in der Katzenhaltung?
Ist überhaupt noch eine artgerechte Haltung in unserer modernen Welt möglich?
Oder ist es ein notwendiges Übel der Domestizierung, dass Katzen heutzutage nicht mehr artgerecht leben können?
Ohne Kompromisse geht es leider nicht, weder für die Halter von Freigängern, noch für die Halter von Wohnungskatzen.
Die Entscheidung muss jeder Katzenhalter selber treffen – und niemand hat das Recht, über ihn zu urteilen.