Hallo zusammen,
zunächst einmal vielen, vielen Dank für all die neuen Postings, die ich mir allesamt durchgelesen habe. Ich habe mich auch über die Beiträge von jenen gefreut, die neu in den Thread gekommen sind. Gerne hätte ich auf jeden einzelnen geantwortet, weil ich finde, dass jeder, der sich die Mühe macht zu schreiben, auch eine individuelle Antwort verdient. Aber das bekomme ich im Moment nicht abgebildet. Sorry. Seid Euch aber meiner Wertschätzung gewiss.
Ich habe jetzt viele unterschiedliche Meinungen gelesen und gehört. Für mich selbst ist das einerseits hilfreich, andererseits weiß ich nun noch nicht so richtig, wo und wie ich zuerst ansetzen soll. Ich versuche mal für mich zusammenzufassen:
1) Thema Gesundheit
Ich glaube, ich hatte noch nie eine Katze, die so häufig gründlich untersucht wurde wie Nouri. Er war eigentlich immer kränklich, gleichzeitig aber auch immer ängstlich. Wie beim Menschen bilden auch bei Katzen äußere Krankheiten die inneren Zustände ab. Denen muss ich mich jetzt widmen und mich fragen, wie es zu Nouris Zustand gekommen ist. Was noch nicht untersucht worden ist - in der Tat - sind die Zähne PER RÖNTGEN! Man hat ihm immer nur oberflächlich ins Mäulchen geschaut ("Zähne in Ordnung"). Soweit ich inzwischen weiß, gibt es Krankheiten wie FORL, die man nicht auf den ersten Blick in Augenschein nehmen kann. Ansonsten ist Nouri ja wirklich auf den Kopf gestellt worden. Alle relevanten Blutwerte wurden geprüft, auch Schilddrüse und Pankreas. Negativ!
2) Meine Annahmen
Meine Annahme ist immer noch, dass Nouris Seele ins Ungleichgewicht geraten ist, und zwar schleichend, bis sich seine Not in seinen Aggressionsattacken Bahn gebrochen hat. Inzwischen schwebt mir folgender Zusammenhang vor: Die Tatsache, dass ich mir den Kopf gestoßen habe und Nouris Reaktion darauf ist Euch ja bekannt. Aber wie sah es mit mir in mir zu dieser Zeit aus? Ich hatte eine Menge unterschiedlicher Probleme, die mich etwas dünnhäutig sein ließen. Das führte dazu, dass ich sehr lärmempfindlich wurde. Unter mir in der Wohnung fuhr ein Kind manchmal stundenlag mit seinen Inlinern auf dem Laminat. Wenn man selbst ausgeglichen ist, denkt man: Augen zu und durch. Ist ein Kind. Hört bald auf. Wenn man aber an einem seidenen Faden hängt, nervt einen alles. Kurzum: In dieser heftigen Phase, in der es auch darum ging, ob ich mein Unternehmen verlasse oder nicht, konnte ich keinen Lärm aus den anderen Wohnungen ertragen (besagte Inliner, Kindergeschrei, Nachbarschaftsstreit, laute, aggressive Stimmen, Randale um 2 Uhr nachts etc.). Oftmals habe ich mit meinen Füßen auf den Boden gestampft oder bin demonstrativ durch die Wohnung getrampelt (Das Gespräch mit den Untermietern hatte nichts ergeben. Diejenige, die unter dieser Familie hat das auch schon vergeblich versucht). Wie auch immer: Ich bin sicher, dass Nouri - wie einige das hier auch sagen - meine Anspannung gespürt hat. Seit meinen eigenen Trampeleskapaden begann es sich nämlich zu ändern. Da er ein sensibles Tier ist, hat er sich den Schuh angezogen. Er konnte wahrscheinlich nicht verstehen, warum seine geliebte Dosine auf einmal so aggressiv und angespannt war. Er hat es auf sich bezogen, die längste Zeit aber leise darunter gelitten. Als ich mir den Kopf am Futterplatz stieß und dabei so fluchende Töne von mir gab (ich hatte mich übrigens wieder über Lärm aufgeregt), fühlte er sich auf einmal direkt bedroht und griff an. Daraus ergibt sich:
Lärm - Dosine wird angespannt und aggressiv - Dosine trampelt in der Wohnung rum und macht mir Angst.
Dosine stößt sich den Kopf (= Lärm) - Dosine wird angespannt und aggressiv, flucht - Ich stehe dabei am Futterplatz. Sie meint mich mit ihrer Aggression.
So...und nun verselbständigt sich das Ganze (letzter Angriff):
Ich schmuse mit Dosine auf dem Bett - Lärm im Flur - Lärm = Dosine ist aggressiv - Dosine wird mich jetzt wieder anfluchen. Ich verlasse mal lieber den Platz auf ihrem Bauch. Ich bin unruhig, tappe auf dem Bett hin und her. Dosine steht auf. Dann schaut sie mich an. Oh je. Gleich wird sie wieder aggressiv. Angriff ist die beste Verteidigung.
Jetzt verselbständigt sich das Ganze weiter:
Ich habe Dosine angegriffen. Sie ist verletzt, sie weint, sie haut ab. Wann immer ich mich nun im leisesten gestört oder bedroht fühle, wird zugehauen. Denn das wirkt. Wenn sie weg ist, ist die Anspannung weg, und ich muss keine Angst mehr haben. Rein vorsorglich setzt ich mich neuerdings auf Schränke, an denen sie immer vorbei muss und recke meine Nase schnüffelnd in die Luft. Ich wirke da sehr selbstbewusst...so ein wenig erhöht umso mehr. Ich merke, dass das Frauchens Angst erhöht. So habe ich alles unter Kontrolle.
>>>>>Fazit: Ich habe meinen Ärger und meine Aggression auf meinen Kater übertragen.
3) Frauchen soll jetzt Chef im Haus sein?
Ich finde alle Anmerkungen richtig, die sagen, dass eine Dosine Souveränität ausstrahlen sollte. Aber nicht in dem Sinne, dass ich ihn unterwerfe. Ehrlich gestanden weiß ich nicht, inwieweit Menschen sich rangordnungstechnisch in die Reihe der Katzen einreihen können. Ich bezweifle das eher. Da Nouri per se schon immer ängstlich war, wäre Unterdrückung bei ihm der falsche Ansatz. Abgesehen davon: Wer je 7,5 kg geballte Kraft auf dem Rücken oder Kopf sitzen hatte, hat Respekt vor den Kampfmöglichkeiten einer Katze. Diese Tiere können richtig ausrasten. Es dürfte schwer sein, Ruhe zu bewahren. Denn Selbstverteidigung und Selbstschutz sind auch ein Reflex bei uns Menschen. Wir haben im Prinzip dieselben Möglichkeiten wie die Katzen: Flucht oder Angriff. Beim Angriff dürfte man als Mensch immer den Kürzeren ziehen, es sei denn, man nimmt in Kauf, dass man übel zugerichtet wird. Ich glaube, selbstbewussten Auftreten ist sehr hilfreich. Es ist auch hilfreich, das Zepter in der Hand zu halten, wie hier eine Posterin schrieb. Z. B. sitze ich jetzt am Schreibtisch und muss arbeiten. Jetzt will und kann ich nicht schmusen. Katzen reagieren auf Möglichkeiten der Grenzüberschreitung ebenso wie Menschen: Wenn man einmal gemerkt hat, dass etwas funktioniert, macht man es immer wieder.
Ich weiß noch nicht, wie ich jetzt am besten mit Nouri umgehe. Sicherlich braucht das alles sehr viel Zeit. Sicher ist, dass ich auch für mich selbst sorgen muss, dafür, dass ich selbst innerlich ausgelassener sein kann.
All Eure Tipps waren auf ihre Weise hilfreich. Auch wenn hier die unterschiedlichsten Meinungen vertreten sind, so steckt in jeder einzelnen ein Funken Wahrheit. Jeder versucht das beizutragen, was er aufgrund seines Wissens und seiner Erfahrungen beizutragen vermag. Aus all dem hat sich mir ein Gesamtbild ergeben.
Letztlich hat mir dieses Gesamtbild geholfen. Dafür danke ich Euch sehr. Anders: Ich hätte es ohne Euch nicht geschafft. Letztlich geht es auch nicht ohne Selbstkritik. Sabinee hatte in sofern Recht als sie sagte, dass kein Tier ohne Grund so wird. Wenn es nicht Krankheiten sind, dann hat der Mensch etwas "falsch" gemacht, wobei die Auslöser mitunter so subtil sind, dass wir kaum herausfinden können, wo diese lagen. Deshalb fällt es manchmal auch so schwer, sich eine Schuld einzugestehen.
Letztendlich ist mein Nouri unglaublich sensibel. Es hat hier wirklich eine Übertragung von mir auf den Kater stattgefunden. Da bin ich mir absolut sicher. Jetzt liegt es an mir bzw. in meiner Verantwortung, diesen Prozess mit Geduld und Spucke umzukehren. Nandoleos Luka ist ja auch ein Beispiel dafür.
Bis dahin gibt es wahrscheinlich noch ein paar Kratzer und Bisse. Aber Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden 😉. Außerdem bin ich hartnäckig. Ein Ansatz wird wirklich sein, mich selbst wieder ins Lot zu bringen.
Jede Katze reagiert so individuell wie jeder Mensch. Ich muss mich an die richtige Behandlungsweise herantasten. Dass Angst kontraproduktiv ist, stimmt absolut, insbesondere da die sensiblen Tiere das spüren. Ich habe nur noch keine Möglichkeit gefunden, meine Angst abzustellen.
Also nochmal. Vielen Dank EUCH ALLEN. Die kontoverse Diskussion hier fand ich wirklich toll. Dies ermöglicht, ein Problem von verschiedenen Seiten zu betrachten. Je umfänglicher man ein Problem betrachtet, desto eher kann es gelöst werden.
Herzliche Grüße
Sigrid