Generell, wenn man eine Katze adoptiert, die bereits behindert ins Haus kommt:
Bitte nicht aus Mitleid die Katze aussuchen und adoptieren; so entsteht m. E. eine falsche Grundhaltung dem Tier gegenüber!
Handicats sehen sich nicht als behindert; diese Einstellung haben nur wir Menschen. Genauso das Hadern und Zagen, also der Blick zurück auf die Zeit, als das Handicap noch nicht da war. Z. B. der Unfall, der die Sportlerkarriere zunichte gemacht und den Sportler in den Rollstuhl verbannt hat.
Handicats adaptieren sich in Windeseile. Das hat mich beispielsweise Pfötchen gelehrt. Einen Tag war sie noch ein ganz normales Jungtier in einem Zehnerwurf, beim Vereinszüchter
😉, dann kam der Unfall (Pfötchen stürzte vom Kratzbaum und brach sich den Oberschenkelknochen mitten in der Wachstumsfuge, direkt über dem Knie) und die Amputation.
Als Pfötchen hier einzog, noch bevor die Fäden gezogen waren, hoppelte sie - noch etwas ungelenk, aber ausgesprochen neugierig und fröhlich durch die Gegend. Sie wurde als Neuling zwar (von Nine) auch erstmal unters Bett verbannt, aber dank des Nickerkaters (der sich über jede Vergrößerung seines kleinen Harems freute ^^) durfte Pfötchen auch bald in die Beletage (= ins Bett) umziehen. Aber obwohl sie sofort emotional bei Nicki andockte und auch mit Nine viel stapelte, blieb Pfötchen etwas für sich, etwas außerhalb der kleinen Truppe.
Ich merkte, dass Pfötchen in Sachen Springen und Klettern keine echten Fortschritte machte; sie hatte irgendwie keine Traute und keinen Ansporn. Oft hockte sie unten und meckerte vor sich hin, weil die beiden "Großen" oben waren und sie eigentlich auch hinwollte, aber nicht recht wusste, wie.
Also machte ich mich auf die Suche nach einer Leitkatze für Pfötchen, ein kleines Mädchen, das sich mit Pfötchen anfreunden sollte und sie animieren sollte, sich mehr auszuprobieren und körperlich aktiver zu werden.
Nach langer Suche zog dann Mercy ein, eine Peterbald mit dem entsprechenden sonnigen Gemüt. Etwas blond, aber total liebenswert. Und Pfötchen zog freiwillig wieder unters Bett, als Mercy dort hausen musste, und stapelte mit Mercy ganz eng. Pfötchen war selig: ein Katz, ganz für sie allein!
Und Pfötchen war wie umgewandelt: wenn Mercy zu den anderen den Kratzbaum hochturnte und mit ihnen stapelte, hockte Pfötchen nicht mehr zeternd unten, sondern mühte sich ab, eine Strategie zu finden, wie sie mit den Armen und dem einen Hinterbein am Kratzbaum hochklettern könnte. Sie übte unermüdlich, und in kurzer Zeit sah sie aus wie eine kleine Bulldogge: mit einem schmalen Heck und unglaublich breiten und muskulösen Schultern.
😀
Als der Nickerkater dann starb, wäre es eigentlich Nines Sache gewesen, als ältestes Weibchen des Rudels die Chefposition zu übernehmen. Aber sie trauerte sehr und wollte oder konnte nicht. So stieß Pfötchen in die Lücke und wurde unangefochtene Chefin, und seitdem regiert sie ihr Rudel mit eiserner Kralle, völlig von sich überzeugt, dass ihr allein die Weltherrschaft gebührt.
😱
Pfötchen findet sich selbst unglaublich toll und unfehlbar (ja, wir sind Papst!
😀), und sie hegt auch keinerlei Zweifel, dass ihr überall der Vorrang gebührt. Einmal mit der rauen Siamesenstimme einen barschen Befehl gebellt, und schon treten Kater und Kätzin zurück und machen Ihrer Pfotigkeit den Weg zum Napf oder zum besten Kissen frei.
Und so sehen sich im Grunde alle Handicats!
Sie finden sich schön und schlau und perfekt und sind mitnichten dankbar, dass man sie adoptiert hat! Ganz im Gegenteil: sie finden sich gnädig, dass sie es gestattet haben, ihr neues Heim mit den neuen Menschen zu teilen.
Denn dass das alles ihnen allein gebührt, sollte selbstverständlich sein.
😉
Pfötchen verfügt über ein riesiges Selbstbewusstsein, und das merkt man ihr auf Schritt und Tritt an. Sie hat es sich redlich verdient und selbst erworben, als sie angefangen hat, ihren Ehrgeiz zu entwickeln und Mercy hinterher zu klettern.
Eine körperbehinderte Katze in Watte zu packen, wäre das Schlimmste, was man ihr tun kann. Sie brauchen Herausforderungen, die sie ggf. Schritt für Schritt bewältigen können, und sie brauchen Anregungen, um ihre Sinne zu entwickeln.
Natürlich ist auch Pfötchen da und dort gern ein kleiner Faulpelz. Sie sitzt dann auf der Erde, ich am Esstisch und schreibe am Schleppi, und Pfötchen brüllt mich an, dass sie auf den Tisch will, Bauch flauschen. Manchmal tue ich ihr den Gefallen und hebe sie hoch, damit sie sich neben den Schleppi chillen kann, aber meist sage ich nein, und Pfötchen brüllt empört weiter, bis sie sich dann doch bequemt und auf die Sitzfläche vom Stuhl und von dort auf den Esstisch springt. Dann chillt sie sich zurecht, meckert noch etwas vor sich hin (über den fehlenden roten Teppich
🙄) und schnurrt sich dann eins, während ich ihr den Bauch flausche.
Und der langnäsige Neugierkater wird mit einem einzigen energischen Faucher weggejagt. Obwohl er sich auch gern flauschen lassen würde...
😉
Die anderen Orientalen und auch sintemalen der Nickerkater hatten überhaupt kein Problem mit Pfötchens Hoppelei und dem fehlenden Bein. Ebenso hat Pfötchen kein Problem mit Moodys Matschauge oder die beiden Siamesen mit Mercys Chylothorax, der sie leider immer wieder mal zum Husten zwingt. Dann hustet sie halt vor sich hin, schüttelt sich dann und geht wieder zur Tagesordnung über.
🙂
Von daher: ein Handicat im Alltag als kompetente, "vollständige" Katze zu behandeln, ist unabdingbar. Natürlich, ein Schnittchen (gelähmte und inkontinente Katze) muss ggf. gewickelt oder die Blase ausmassiert werden. Aber das sind kleine Sachen, die man gut n den Alltag einbauen kann, genauso wie z. B. eine Diabetikerkatze täglich spritzen.
Gesunde Katzen und Handicats kommen normalerweise super miteinander klar, sofern sie charakterlich zusammenpassen und auch sonst die Chemie stimmt. Die Behinderung spielt da keine Rolle!
Natürlich gibt es evtl. Einschränkungen. Z. B. mag Pfötchen nicht raufen. Nie nie nie nie und nimmer! Und Moody ärgert sie dann gern, indem er sie doch anrauft. Pfötchen brüllt dann wieder empört los über solche Rücksichtslosigkeit gegenüber der pfotigen Würde, und wenn er zu aufdringlich wird, kriegt er schlimmstenfalls einen Satz heiße Ohren. Dann kuscht er auch und lässt Pfötchen in Ruhe.
😉
Aber beide spielen gern fangen. Pfötchen lauert und tatscht Moody an, rennt dann weg. Und Moody hinterher. Mädchenspiele.
🙂
Aber danach hatten wir Moody auch ausgesucht, als der Nickerkater starb. Moody ist ein Mädchenkater und spielt liebend gern Mädchenspiele und rauft auch eher mädchenhaft und nicht so grob, wie es Kater untereinander häufig tun.
Zum Raufen hat er Mercy, die als einziges Mädchen in einem Fünferwurf mit vier Brüdern aufwuchs und alles übers Raufen weiß. Aber auch mit Mercy spielt Moody überwiegend Antatschen und Nachlaufen und andere Mädchenspiele.
🙂
Du siehst, Majacat, in unserem Handicathaushalt geht es ganz normal zu; das Thema Behinderung spielt nur eine ganz untergeordnete Rolle.
🙂