Ich lese hier immer wieder, dass sich User für Katzen vom Züchter entschieden haben, weil sie gut sozialisierte und gesunde Katzen wollten.
Wie ich schon mal geschrieben habe, kamen/kommen alle meine Katzen entweder direkt von der Straße oder aus dem Tierschutz. Zu manchen dieser Katzen kam ich "wie die Jungfrau zum Kinde". Alle waren/sind EHKs. Und alle dieser Katzen waren/sind kerngesunde Katzen mit einem wunderbaren Wesen - und super sozialisiert.
Als Beispiel möchte ich meinen Kater Johann nennen, den ich vor gut 28 Jahren zufällig kennenlernte, weil er auf unserem Hof in den Müllcontainern nach etwas Fressbarem suchte. Rasse: Berliner Straßenkater. Alter lt. Tierarzt: mindestens 6 Jahre.
Johann war anfänglich sehr scheu und vorsichtig und hatte in seinem Leben offensichtlich noch nie näheren Kontakt zu Menschen gehabt. Er wies alle äußeren Anzeichen des harten, entbehrungsreichen und gefährlichen Lebens eines unkastrierten Streunerkaters auf: Er war mager, hatte struppiges stumpfes Fell, war voller Flöhe, hatte Würmer und war von alten und frischen Narben übersät. Eine Schönheit war er nicht mehr, aber er hatte Charakter!
Ich stellte ihm wochenlang Futter auf den Hof, das dankbar angenommen wurde. Nach einiger Zeit erwartete er mich schon und freute sich sichtlich, mich zu sehen. Aber bis ich mich ihm nähern und ihn anfassen durfte, verging viel Zeit.
Eines Tages folgte er mir dann tatsächlich bis zu meiner damaligen Wohnung im 2. Stock! Und ein paar Tage später kam er sogar freiwillig mit hinein. Und noch ein paar Tage später, als er seine Panik vor der geschlossenen Tür überwunden hatte, blieb er!
Johann lebte 8 Jahre bei mir, bestand allerdings sein Leben lang darauf, nachts hinausgelassen zu werden. Er gewöhnte sich in kürzester Zeit daran, die Katzentoilette zu benutzen und machte nie etwas kaputt. Er war der wunderbarste, liebevollste, verschmusteste und tollste Kater, den man sich vorstellen kann! Johann hat mich in 8 Jahren nicht einmal gekratzt oder gebissen, und er ließ sich sogar - wenn auch unter großem Jammern - von mir baden! (Das war manchmal einfach notwendig, wenn er völlig verdreckt von draußen nach Hause kam.) Er war auch nie krank. Johann liebte mich über alles und zeigte mir das auch bei jeder Gelegenheit. Er war einfach großartig!!!
Eines Tages brach Johann zu Hause plötzlich zusammen. 10 Minuten später war ich mit ihm in der Tierklinik. Es wurde in Windeseile alles getan, was man tun konnte. Aber eine Viertelstunde später war Johann tot. Man konnte mir nicht genau sagen, woran Johann so schnell gestorben war; aber es wurde vermutet, dass er draußen einen Giftköder gefressen hatte. Damals hatte ich leider noch nicht genug Geld, um die Todesursache feststellen zu lassen.
Laut Tierarzt war Johann mindestens 15 Jahre alt, als er starb. Wenn man bedenkt, dass er das Kind einer armen Berliner Straßenkatze war und sich die ersten 6 Jahre seines Lebens alleine auf der Straße durchschlagen musste, ist das eigentlich ein beachtliches Alter. Und sicher wäre er noch um einiges älter geworden, wenn er kein Freigänger gewesen wäre und draußen nicht Gift gefressen hätte.
Ich schreibe das alles nur, um Euch wissen zu lassen, dass auch ein "Härtefall" wie Johann, der einen Großteil seines Lebens ohne menschlichen Kontakt auf der Straße verbrachte und dessen "genetische Zusammensetzung" völlig unbekannt war, kerngesund, gut sozialisiert und unglaublich liebenswert war.
Ich kann auch Ähnliches über meinen Kater Garfield schreiben, den ich vor gut 20 Jahren im Urlaub auf Mallorca unter einer Palme fand. Er war laut Tierarzt erst ca. 4 Wochen alt, halbverhungert, völlig dehydriert, voller Flöhe und extrem verwurmt. Außerdem hatte er Katzenschnupfen. Dieses Kätzchen war ein Bild des Jammers, bestand nur noch aus struppigem Fell und Rippchen, konnte die vereiterten Äuglein kaum öffnen, nieste ständig, und es ist ein Wunder dass es überlebt hat!
Ich päppelte Klein-Garfield die erste Zeit mit dem Fläschchen, und nach und nach wurde aus ihm ein wunderschöner großer, kräftiger und erstaunlich gesunder Kater. Und das, obwohl er so einen harten Start ins Leben hatte und in den ersten, wichtigen Entwicklungswochen viel entbehren musste!
Auch charakterlich war Garfield über jeden Zweifel erhaben: Er war ein liebevoller, verschmuster, menschenbezogener und fröhlicher Kater, der das Leben liebte. Jeder, der Garfield kennenlernte, verfiel sofort seinem unvergleichlichen Charme. Selbst Freunde von mir, die immer sagten, sie seien keine "Katzenmenschen", fanden es plötzlich toll, Garfield auf dem Schoß zu haben. Er war wie der Sonnenschein und hat unglaublich viel Freude und Liebe in unser Leben gebracht!
Garfield wurde fast 17 Jahre alt. Er war bis ins hohe Alter topfit, hatte seidiges, glänzendes Fell, sah und hörte wie ein Luchs und hatte ein tadelloses Gebiss. Er rannte noch mit über 16 Jahren an seinen deckenhohen Kratzbäumen hoch und runter, und unser Tierarzt sagte, dass er in seiner Praxis noch nie einen derart "jungen" alten Kater gesehen hatte.
Leider bekam Garfield dann plötzlich eine Lungenerkrankung, die ziemlich schnell schlimmer wurde. Es fing damit an, dass Garfield beim Herumtoben schnell außer Atem war, und es endete damit, dass ich Garfield ein paar Monate später, kurz vor seinem 17. Geburtstag, einschläfern lassen musste, weil er schlimme Anfälle von Atemnot hatte, die durch Medikamente nicht mehr in den Griff zu bekommen waren. In meiner Verzweiflung hatte ich Garfield sogar mehrere Tage stationär in der Tierklinik Düppel aufnehmen lassen, wo der Arme in einer Sauerstoffbox untergebracht wurde. Das tat ihm zwar gesundheitlich gut; aber Garfield war in der Klinik natürlich todunglücklich. Und selbst wenn ich zu Hause eine Sauerstoffbox gehabt hätte, wäre es ja kein Leben für Garfield gewesen. Also musste ich die schwerste und endgültige Entscheidung treffen. Garfield wurde bei uns zu Hause in seiner gewohnten Umgebung eingeschläfert. Ich kann unserem Tierarzt gar nicht genug danken, der mir für den Notfall seine Handynummer gegeben hatte und nachts zu uns kam, um Garfield zu erlösen!!!
Es war sicher keine Erbkrankheit, an der Garfield starb. Und ich denke, dass er mit fast 17 Jahren ein hohes Alter erreicht hat. Vor allem, weil er ja noch bis über sein 16. Lebensjahr hinaus topfit war.
Auch diese Geschichte erzähle ich Euch, weil ich möchte, dass Ihr wisst, dass aus einem weggeworfenen kleinen Häufchen Elend, dass krank, verhungert und voller Parasiten irgendwo herumgelegen hat und das wahrscheinlich keine zwei Tage länger überlebt hätte, der schönste, gesündeste und großartigste Kater geworden ist, den man sich nur vorstellen und wünschen kann! Er war auch absolut gut sozialisiert! Und das, obwohl ich über die Herkunft von Garfield überhaupt nichts weiß. Da haben sich eben zwei arme mallorquinische Straßenkatzen zusammengefunden ... Und dieses wundervolle Wesen kam dabei heraus!
Ich habe bewusst diese beiden Katzen als Beispiele ausgewählt. Johann war schon 6 Jahre alt und, wie man denken könnte, "verkorkst" vom Straßenleben, als er mein Kater wurde. Garfield war erst 4 Wochen alt und noch viel zu jung, als er zu mir kam.
Und trotzdem waren beide Kater, jeder auf seine Art, ganz wunderbare und einzigartige Wesen - und perfekt sozialisiert.
Ich bin fest davon überzeugt, dass ein liebenswertes Wesen und eine gute Sozialisation nicht an der Rasse eines Tieres festgemacht werden können. Jedes Haustier ist eine Kombination aus seinem ganz individuellen, rasseunabhängigen Charakter, den es schon bei seiner Geburt mitbringt, und dem, was wir aus ihm machen. Rückblickend könnte man jetzt sagen, dass ich mit meinen Tieren immer unglaublich viel Glück hatte. Aber das glaube ich nicht. So viel Glück hat kein Mensch im Leben!
Und zum Schluss möchte ich noch sagen, dass ich natürlich unendlich glücklich und dankbar bin, dass alle meine "FWW"-Tiere (sowohl Katzen als auch Hunde) sehr robust und gesund waren/sind! Aber wären meine Tiere aus irgendwelchen Gründen kränklich gewesen, hätte ich sie deswegen kein bisschen weniger geliebt! Und sie wären deswegen auch nicht weniger einzigartig und toll gewesen! Auch kranke und/oder gehandicapte Tiere haben eine Existenzberechtigung und bereichern unser Leben!
Danke, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt, meinen langen Beitrag zu lesen! Eigentlich wollte ich gar nicht so viel schreiben. Aber wenn ich über meine inzwischen verstorbenen Schätzchen schreibe, kann ich mich irgendwie nicht kurzfassen.