22. Oktober 2022. Wir schreiben Tag 68 nach Hollas Einzug. Die Zusammenführung läuft weiterhin - in nur für optimistische Menschen wahrnehmbaren homöopathischen Schrittchen (sehr hoch potenziert). In der Nacht und bei längerer Abwesenheit wird Holla separiert. An der Gittertür gibt es viel Gemeckere von ihr, wenn sie geschlossen ist, aber die Anwesenheit der anderen Siehtnixe wird nicht mehr kommentiert. Wenn ich da bin, um zu moderieren, läuft sie frei im Haus herum. Immer noch bewegt sie sich sehr schnell und zielgerichtet - und liebt es tragischerweise, mich zu begleiten und mir im Haushalt zu helfen. Dieses Hobby teilt sie mit vier der fünf übrigen Blindfrösche. Durch ihre eilige Fortbewegung rennt sie dauernd alle anderen Katzen um. Da sie es gar nicht schätzt, wennn katze ihr zu nahe kommt, schlägt sie das Unfallopfer und schreit dabei in den höchsten Tönen - zum Glück aber nur kurz. Dann weicht sie aus, trabt an und kracht in die nächste Katze.
Sie hat wirklich Glück, dass alle anderen Blindfrösche so defensiv sind. Sie sind aber deutlich unsicherer und schreckhafter als früher.
- Tommy lässt sich unterdessen einfach umfallen, wenn er ihr Brummen hört oder sie riecht. In der Rückenlage kann er sich besser wehren, weil er sein fehendes Beinchen nicht ausbalancieren muss.
- Tiffy haut zurück, kann schon genauso gut Fauchen und Schreien und gewöhnt es sich gerade an, dieses Tatzeln auch zu verwenden, um die anderen von beliebten Plätzen zu vertreiben. Holla respektiert sie schon ein bisschen.
- Kami erschrickt zwar, würde aber niemals zurückweichen. Sie schaut einfach verwundert. Holla hasst Kami.
- Samson ist völlig unerschrocken im Umgang mit ihr. Wenn sie ihn jagt, scheucht er sie zurück. Ihn findet sie ganz ok, außer wenn er sie jagt. Oder wenn sie ihn anrempelt.
- Swiffa ist zwar eigentlich die Chefin im Ring, ist aber auch die Ängstlichste von den Katzen. Sie hat ein Restsehvermögn und weicht daher aus, wenn das schwarze Gewitterwölkchen naht. Und Holla jagt sie. Am Anfang war das eindeutig spielerisch, unterdessen schlägt es in leichte Dominanz um. Swiffa war so verschreckt, dass sie jetzt Anxitane bekommt, damit sie weniger Stress hat und sich endlich traut, Holla in ihre Schranken zu verweisen.
Das klappt gut. Holla ist nicht wirklich aggressiv oder extrem dominant, sondern nur unerschrocken, neugierig und selbstbewusst. Sie testet ihre Grenzen und akzeptiert sehr gut, wenn eine andere Katze nicht flieht, zurücktatzelt oder sogar zurück jagt. Dann unterlässt sie ihre Jagdspiele oder zeigt Ansätze von Spielverhalten. Wenn sie aber wirklich gejagt wird, reagiert sie aggressiv und panisch. Sie kann also noch gar nicht Fangen spielen - würde sie aber gerne.
Holla ermüdet schnell und wird dann aggressiver. Im Augenblick schafft sie etwa 6-8h mit den anderen zusammen. Wenn sie müde ist, zieht sie sich von alleine in "ihr" Zimmer zurück.
Neben der Moderation der Zusammentreffen (sie reagiert sehr gut auf Ansprache) habe ich vor wenigen Wochen mit Hilfe einer sehr lieben Tiertrainerin begonnen, mit den Katzen zu clickern, um positive gemeinsame Erlebnisse zu schaffen und das Selbstbewusstsein zu stärken. Im Augenblick probieren wir an den Gruppenkonstellationen herum, da Hollas überraschende Angriffe merkwürdigerweise die Konzentration stören. Die jeweils ausgesperrten und deshalb an der Tür randalierenden übrigen Siehtnixe sind auch eine Herausforderung für reizoffene Kätzchen.
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Alle Katzen sind begeistert vom Training und der Leckerlischlacht. Erste Lernfortschritte sind zu beobachten. Die meisten haben "Sitz" verstanden und gehen nach Aufforderung häufig auf die Trittstufen, auf denen sie das Bleiben üben sollen. Das Bleiben klappt eher so mittelmäßig, vor allem, wenn die Leckerlitüte raschelt oder jemand an der Tür kratzt.
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Holla macht seit einer Woche richtig gut mit und vergisst beim Üben schon ganz oft das Knurren und Fauchen. Immer öfter legt sie sich etwas abseits hin und lauscht dem Geschehen. Und ich - als unverbesserliche Optimistin - glaube manchmal, das das Fauchen und Knurren beim täglichen Miteinander auch weniger wird.
Ich muss aber gestehen, dass ich ganz oft auch müde und mutlos bin. Die 16 Monate mit Lotta sind nicht vergessen und waren ja auch schon ebenso anstrengend wie - im Nachhinein - nutzlos. Ich verstehe ja, dass die Tierschützer:innen im Ausland alles daran setzen, ihre Tiere in die Schweiz, nach Österreich oder nach Deutschland zu vermitteln. Aber mit den falschen Aussagen zu dem Sozialverhalten ihrer Schützlinge stellen sie die Adoptanten vor wirkliche Probleme und letztendlich schaden sie ihren Tieren ja auch, wenn sie dann nach Monaten in den Pflegestellen, einer beschwerlichen Reise und einer Eingewöhnung in einem völlig anderen Umfeld womöglich erneut umziehen müssen. Von dem Leid der Menschen, die so ein Tier lieben und wieder hergeben müssen, mal ganz zu schweigen.
Natürlich bleibe ich dran - ich weiß ja von
@Motzfussel, dass es klappen kann - aber ich würde mich über Zuspruch und Erfahrungen freuen.
Ich ende mit ein paar Impressionen aus dem herbstlichen Garten.