Ich finde es traurig, dass man, wenn man Freigang nicht befürwortet, hier total fertiggemacht wird!
Angeblich ist Freigang für Katzen ja immer das Allerbeste!
Oh, es ist ja so wunderschön, wenn Katzen über die Wiesen hoppeln und ihr Leben genießen!
Aber von den zahlreichen Gefahren, denen Katzen draußen ausgesetzt sind, will niemand etwas hören ...
Ich gönne es wirklich jeder Katze und jedem Katzenhalter, dass es mit dem Freigang gut geht! Und ich würde es toll finden, wenn man Katzen rauslassen könnte, ohne sich Sorgen machen zu müssen!
Leider sind Katzen, obwohl sie Wesen sind, die sich der Natur perfekt angepasst haben, draußen etlichen Gefahren ausgesetzt, die sie in keiner Weise einschätzen können! Die größten Gefahren, denen Katzen draußen ausgesetzt sind, sind nämlich von Menschen gemacht! Und auf diese Gefahren sind Katzen leider nicht vorbereitet.
Ich möchte hier von meinem über alles geliebten Freigänger-Kater Johann berichten, wenn ich darf. Ich war damals 18 Jahre alt und hatte gerade meine erste eigene Wohnung bezogen. Johann (wie ich ihn nannte) war ein riesiger, imposanter weißer Kater mit grauen Flecken, der sich regelmäßig auf unserem Hof herumtrieb. Da der Kater immer in den Müllcontainern nach Futter suchte und offensichtlich niemandem gehörte, fing ich an, ihm regelmäßig Futter hinzustellen, das von ihm auch gern angenommen wurde. Johann war ein sehr scheuer Kater! Offensichtlich hatte er noch nie Kontakt zu Menschen gehabt! Er war ein typischer Berliner Straßenkater!!! Nach und nach freundeten wir uns aber trotzdem an. Es dauerte sehr lange! Johann war außerordentlich misstrauisch!!! Eines Tages bemerkte ich aber, dass Johann im Hof auf mich wartete und sich freute, mich zu sehen! Er lief mit freudig hochgerecktem Schwanz auf der Mauer hin und her. Viele Wochen später sprang Johann dann tatsächlich von der Mauer herunter, um mir zur Begrüßung um die Beine zu streichen! Wow!!! Noch einige Wochen später ließ sich Johann dann von mir streicheln! Beim ersten Mal lief er noch weg. Aber beim zweiten Mal schnurrte er und genoss es! Wir wurden richtig gute Freunde! Es dauerte wirklich ewig; aber eines Tages lief mir Johann bis zu meiner Wohnung im 2. Stock hinterher! Und einige Wochen später kam er dann sogar für einige Minuten mit rein und sah sich vorsichtig um!!!
Johann wurde dann tatsächlich irgendwie MEIN Kater!!! Allerdings blieb er immer nur tagsüber in der Wohnung und wollte nachts raus! Am Tag war er der wundervollste und liebenswerteste Schatz, den man sich vorstellen kann - aber nachts fing er an zu randalieren, und ich musste ihn rauslassen. Dieser Kater hatte irgendwie zwei Leben: ein Drinnen-Leben und ein Draußen-Leben!
Als ich Johann das erste Mal vom Tierarzt durchchecken ließ, war er schätzungsweise 6 Jahre alt.
Johann ging JEDE Nacht raus! Mitten in Berlin! Und überall waren stark befahrene Hauptstraßen!!! 🙁
Ich konnte leider nichts dagegen tun! 🙁
Johann war 8 Jahre lang bei mir!
JEDE Nacht hatte ich panische Angst, dass Johann etwas passieren könnte und dass er nicht mehr nach Hause kommen würde! Es war die Hölle!!!
Aber Johann war ein gestandener Berliner Straßenkater, draußen geboren und aufgewachsen, mit allen Wassern gewaschen ... Was sollte Johann draußen schon passieren? Alle meine Freunde, die Johann kannten, versuchten mich zu beruhigen! Und es ging ja auch lange gut ...
Ein wunderschöner Sommertag, ich spielte Scrabble mit meinem damaligen Freund. Johann war morgens nach Hause gekommen und lag friedlich auf seinem Platz ...
Plötzlich ein grauenvoller Schrei, wie ich ihn noch nie in meinem Leben gehört hatte!!! Ich ließ alles fallen und rannte zu meinem Kater! Johann lag auf der Seite, ruderte mit den Pfoten und schrie! Ich hatte so furchtbare, gequälte Schreie noch nie gehört!!! Johanns Augen waren panisch aufgerissen! Mein Kater hatte Schaum vor dem Maul, er lag in Erbrochenem! Ich sah, dass er hinten unkontrolliert Wasser und Kot abgesetzt hatte!!! Der Kater schrie und schrie, dass es mir durch Mark und Bein ging! Ich konnte überhaupt nicht mehr klar denken! Ich dachte nicht an Johanns Transportbox, sondern raffte nur den schreienden, zuckenden Kater an mich und brüllte meinem Freund zu, dass wir sofort in die Tierklinik fahren müssen!
Da es nicht sein Kater war und er nicht ganz so unter Schock stand wie ich, schaffte mein Freund es noch, geistesgegenwärtig Johanns Transportbox mitzunehmen. Wir rannten zum Auto. Johann schrie auf meinem Arm immer noch ganz furchtbar und machte weiter unter sich! Ich weinte und versuchte, trotz meiner Panik, meinem Freund im Auto den Weg zur Tierklinik zu weisen. Unterwegs verfrachtete ich Johann irgendwie in die Transportbox, weil mich der Kater vor lauter Panik inzwischen von oben bis unten massiv zerkratzt hatte und ich heftig blutete! Johann erkannte mich offensichtlich nicht mehr!
Die Tierklinik war zum Glück nicht weit weg! Schon ca. 10 Minuten nach Johanns erstem Schrei kamen wir dort an. Mir kam es allerdings vor wie Stunden!!! Ich rannte mit meinem Kater an all den wartenden Menschen vorbei und brüllte "Das ist ein Notfall!!!!"
Ich war mit meinem immer noch bestialisch schreienden und zuckenden Kater sofort im Behandlungsraum, in dem mehrere Tierärzte anwesend waren! Alle Tierärzte kümmerten sich sofort hektisch um meinen Johann! Er wurde aus der Transportbox geholt, er wurde abgehört, er bekam sofort Injektionen und Infusionen, alles Menschenmögliche wurde versucht, aber mein Kater starb den Tierärzten Minuten später unter den Händen weg!
Ich bin sicher, dass Johann irgendwo draußen Gift gefressen hatte!!! Er war und blieb ein Straßenkater; und egal wie gut ich ihn fütterte, hat er doch immer alles gefressen, was er kriegen konnte! Das konnte ich ihm leider nie abgewöhnen ... Und das hat ihn umgebracht!!!
Wenn ein schlauer, erfahrener Berliner Straßenkater elend an einem Gikftköder verreckt, kann das auch jeder anderen Katze passieren!
Ich wünsche keiner Katze so einen furchtbaren, qualvollen Tod, wie ihn mein Johann erleiden musste!!! Und ich wünsche keinem Katzenhalter, so etwas Schreckliches miterleben zu müssen!!!
Es ist jetzt schon über 20 Jahre her; aber ich muss immer noch weinen, wenn ich daran denke, wie qualvoll mein Johann sterben musste!