Also ich finde es ja absolut beneidenswert, was TJ da immer berichtet.
Ihr nicht?
Hatte in Deutschland Wohnungshaltung und Katzenknast, zog nach Norwegen um und kann dort nun absolut guten Gewissens unbegrenzten Freigang ermöglichen.
Sind dort ja auch paradiesische Freigänger-Verhältnisse, mit gerade mal 13 Einwohnern pro Quadratkilometer.
Ich glaube, ich kann guten Gewissens für sämtliche Halter von Wohnungskatzen und Wohnungskatzen mit gesichertem Auslauf sprechen, die ich kenne:
Keiner von uns käme auf die Idee, unseren Katzen unbegrenzten Freilauf vorzuenthalten, wenn wir so leben würden.
Aber, wir leben hier in Deutschland nun mal - in der überwiegenden Mehrzahl
nicht so.
Sondern erheblich gedrängter. Im Bundesdurchschnitt 229 EW/qkm, regional aber durchaus unterschiedlich:
http://www.deutsche-mittelgebirge.de/Deutschlandkarte_Bevoelkerungsdichte_klein.jpg
Unter 25 EW/qkm gibt es z.B. in Baden-Württemberg, wo ich lebe, keine einzige Gemeinde. Und ich dachte eigentlich immer, Ba-Wü sei relativ ländlich...
Ob es eine Lösung wäre, wenn jetzt sämtliche Katzenhalter Deutschlands nach Norwegen umsiedelten?
Statistisch gesehen hält jeder 7. Haushalt in Deutschland Katzen, das wären dann rund 16,6 Mio Menschen, und selbst bei solch einem Massenzuzug würde sich die Einwohnerdichte von Norwegen dennoch nur auf 43 EW/qkm erhöhen, nicht einmal ein Viertel des aktuellen Wertes von Deutschland.
Wäre also immer noch ein echtes Freigänger-Paradies.
Nur, ob die Norweger das so gerne sehen täten, wenn sich jeder Einheimische plötzlich mehr als drei neu zugezogenen Deutschen gegenüber sehen würde?
Ich glaube, kaum.
Wobei noch hinzu kommt, dass wir gerade innerhalb Deutschlands eine starke Binnenwanderung aus bevölkerungsschwächeren Gebieten in die Ballungsräume haben - weil die Menschen der Arbeit hinterherziehen.
Ich selbst lebe in einer kleinen Stadt mit einer Einwohnerdichte von knapp 400 EW/qkm.
Dass Freigängerhaltung hier keine Option ist, sieht man an der beständigen Fluktuation der Freigängerkatzen hier und an der "Jagdstrecke" entlang der vierspurigen Bundesstraße keine 400 m von unserem Wohngebiet, welche die gesamte Stadtlage quert.
Ich finde es überaus ermüdend, von Leuten, die im Paradies leben, ständig lesen zu müssen, dass Leute "aus egoistischen Gründen" den Katzen den Freigang verwehren würden.
Und das dann bestenfalls auch noch von Leuten, die selbst Katzen in Etagenwohnungen gehalten haben.
Das ist nämlich z.B. etwas, das ich - für mich - nie in Erwägung gezogen hätte.
"Meine" erste Katze war ein Fundkätzchen, und als ich sie fand, zog ich exakt für einen Tag in Erwägung, sie in meinem Studentenwohnklo in der Landeshauptstadt (knapp 3.000 EW/qkm) zu halten. Danach war mir klar, dass das kein Katzenleben wäre und ich suchte ihr einen liebevollen Platz in einem - vermeintlich - sicheren Wohngebiet in unserer - vermeintlich - sicheren Kleinstadt.
Sie war bestimmt sehr glücklich dort, allerdings währte dieses Glück nur eineinhalb Jahre.
Ich habe dann für weitere 10 Jahre bewusst auf Katzenhaltung verzichtet, weil ich der Meinung war, dass es nicht artgerecht ist, Katzen in einer (Miet)Etagenwohnung zu halten.
Erst als wir ein kleines Eigenheim gebaut hatten, erfüllte ich mir diesen Herzenswunsch - nur stellte sich diese Katze dann aber als Freigang-inkompatibel heraus, weil sie eine - im Tierheim unerkannte - starke körperliche Behinderung hatte.
Um ihr dann Gesellschaft im Haus zu ermöglichen, kamen wir überhaupt erst auf Rassekatzen, eben weil die aus Züchterhand ja den ungesicherten Freigang gar nicht kennen gelernt haben und damals, vor bald 12 Jahren, auch gesicherter Freigang unter Rassekatzenzüchtern und -liebhabern noch nicht so weit verbreitet war.
Wir haben von Anfang an unseren Katzen Leinenfreilauf im Garten ermöglicht und jederzeit Zugang zum vernetzten Balkon mit knapp 10 m2 Bodenfläche und 1 1/2 Geschoss Höhe.
Sie waren nie REINE Wohnungskatzen, sondern hatten jederzeit Zugang zu Frischluft und Sonnenlicht.
Mittlerweile haben wir einen Großteil unseres Gartens gesichert und handhaben die Haltung ähnlich wie Freigänger-Besitzer: Wenn die Katzen raus wollen, machen wir einfach die Terrassentüre auf. Im Sommerhalbjahr steht sie ganztägig und bis spät in die Nacht offen. Jetzt dressieren sie uns mit Hilfe der "Katzenklingel". Durchschnittlich verbringen sie im Sommerhalbjahr 6-8 und im Winterhalbjahr 2-4 Stunden draußen.
Sie stärken an den Witterungseinflüssen ihr Immunsystem, sie bilden lebenswichtige Vitamine durch das Sonnenlicht, sie leben in einer harmonischen Kleingruppe ohne Gefahr von Revierkämpfen und Bissen und ohne Gefahr, blindlings vor ein Auto zu laufen.
Es ist die beste Art der Haltung, die ich ihnen HIER bieten kann.
Es ist auf jeden Fall besser, als die Art der Haltung meiner Nachbarn, deren Katzen entweder viel zu jung in Freilauf gelassen und mit spätestens 1 1/2 bis 2 Jahren von der Straße gekratzt werden oder deren Katzen sich selbst auf das Grundstück oder sogar das Haus beschränken in Angst vor dem unkastrierten Terroristen-Kater, der sie sonst stundenlang unter Autos in Schach hält (wenn er sie nicht böse zerbeißt) oder der Nachbarn, die ihre Katzen nur im Haus, nur in der Wohnung halten.
Ich fühle mich hier in diesem Forum völlig zwischen den Stühlen.
Schreibe ich im Freigänger-Foren-Bereich, kriege ich postwendend von den unbegrenzt-Freigang-Befürwortern die Klatsche als böser, egoistischer Wohnungskatzenhalter.
Lese ich dagegen im Wohnungkatzen-Foren-Bereich von Fragestellungen wie "Kann ich auf 50 qm noch eine dritte Katze halten", dann kriege ICH die Krise. Und wenn ich zu schreiben wage, dass man im Falle beschränkter Wohnsituationen doch bitte wenigstens auf einen ruhigen Charakter der Katzen achten sollte - dann kriege ich postwendend von den Wohnungshaltungs-Befürwortern die Klatsche als böser, angeberischer Luxus-Mensch, der seinen Katzen unvorstellbar große Flächen zur Verfügung stellen kann.
Vielleicht könntet ihr in Zukunft, bevor ihr die Klatsche rausholt, an das was ich geschrieben habe denken.
Und sie vielleicht ebenso stecken lassen, wie solche Sätze "Wenn ich nicht so wohnen würde, dass unbegrenzter Freigang möglich ist, würde ich keine Katzen mehr halten" - von Leuten, die selbst schon reine Wohnungkatzen hatten.
Denn davon, dass eure heutigen Katzen heute unbegrenzten Freigang in Traumkulisse haben, werden die damaligen Lebensumstände eurer damaligen Wohnungskatzen nicht besser.
Aber hier und heute und jetzt und in Zukunft können lebendige Wohnungskatzen davon profitieren, dass die Leute ihren Allerwertesten hochbekommen und mit ein bisschen Aufwand ihren Garten sichern.
Und genauso können heute, jetzt und in Zukunft lebendige Katzen davon profitieren, dass sie eben nicht in Ballungsräumen vor die Tür gesetzt und mit einem Lebensumfeld konfrontiert werden, dass nichts mehr gemein hat, weder mit der Lebenssituation in Deutschland vor 30, 40, 50 oder noch mehr Jahren (z.B. als der hier vielzitierte Paul Leyhausen seine Studien machte und Bücher schrieb) noch mit der Lebenssituation in Deutschlands wenigen dünnbesiedelten Ecken noch erstrecht im noch dünnbesiedelteren Ausland.
Danke fürs Lesen.