Ich lese hier öfter mal in traurigen Threads, dass man die Katze in Würde gehen lassen soll. Aber was ist mit der Würde einer Katze, die totgefahren wurde, die womöglich qualvolle Schmerzen erleiden musste? Und jetzt kommts: ... weil ich ihr diese Freiheit gegeben habe! Ja, ich würde es mir ein Leben lang vorwerfen, wenn eine Katze sterben muss, weil ich ihr Freigang in einer unsicheren Lage gewährt habe. Ebenso würde ich es mir aber ewig vorwerfen, wenn ich eine Katze unglücklich gemacht habe, weil ich sie eingesperrt habe, obwohl sie raus wollte.
Daher bin ich der Meinung, dass man sich die Entscheidung für Freigang niemals leicht machen sollte, sondern sie sollte sehr gründlich überdacht sein. Und für mich müssen da einige Grundvoraussetzungen gegeben sein um Freigang zu gewähren. Freigang in der Stadt ist für mich unverantwortlich und mir selbst gegenüber unverzeihlich. Nicht die bösen Autofahrer und Raser sind schuld, wenn eine Katze im Strassenverkehr stirbt, nein es ist der Halter, der sich bewusst dafür entschieden hat, seiner Katze Freigang zu gewähren.
Genau darum geht es, Halter dafür zu sensibilisieren, die Gefahren zu erkennen und einzuschätzen - bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist, resp. bevor der Katze etwas zugestoßen ist.
Der altuelle Aufhänger dieses Themas war ja folgender:
Umzug vor zwei Jahren mit zwei altgedienten, erfahrenen Freigängerkatzen, die sich problemlos in die neue Umgebung integrieren.
Vor eineinhalb Jahren dann Zuwachs in Form von zwei jungen Kätzchen die nach Kastration mit 9 Monaten ebenfalls raus gelassen wurden.
Nun wurde eine der beiden jungen Katzen überfahren.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie darauf reagieren.
Bezüglich der erfahrenen Freigänger braucht es sicher kein Umdenken, die werden auf ihre "alten Tage" nicht anfangen, Bäume auszureißen, aber was ist mit der übrig gebliebenen jungen Katze?
Wird sie durch die beiden Senioren überhaupt ausgelastet werden?
Hat sie den gleichen Charakter wie ihre überfahrene Schwester (? Hörte sich nach Schwestern an)?
Wird es erneut Zuwachs geben, um das Kleeblatt wieder zu komplettieren?
Ich würde dazu tendieren, die Lücke zu schließen, denn ich empfinde die Konstellation zwei ältere Katzen, zwei Jungspunde ausgeglichener.
Allerdings würde ich
in dieser Wohnlage keine jungen, wenig freilauferfahrenen Katzen mehr rauslassen sondern lieber den Garten sichern.
Ist die junge Katze jedoch eher ruhig und besonnen, braucht es wahrscheinlich gar keine Komplettierung der Gruppe, denn dann schwingt sie mit den Senioren auf einer Wellenlänge. Dann kann man darauf hoffen, dass sie imGegensatz zur Kameraden eben das richtige Naturell für Freilauf
an dieser Stelle hat.
Sollte eine weitere Katze in dieser Wohnlage für Freilaufhaltung dazukommen, würde ich empfehlen, eine mindestens zweijährige Katze mit Freigangerfahrung zu nehmen, die einen ruhigen und umsichtigen Charakter hat.
Dann gab es hier eine weitere Fragestellung, ist Katzenhaltung und wenn ja, in welcher Form möglich an einer Stelle wo vier Katzen einer Familie binnen zwei Jahren überfahren wurden.
Nun, ich bin der Meinung,
so eine Wohnlage ist nicht geeignet für Freigänger, es sei denn, man gibt bewusst einem eingefleischten Ex-Streuner der im Tierheim schlimmer leidet als ein Hund, sein Gnadenbrot.
Andererseits bietet sich eine solche Wohnlage dann für gesicherte Auslaufhaltung mehrerer Katzen an.
Auf diese zwei Fälle habe ich mich bezogen und darüber hinaus auf die Lage in unserem Wohngebiet. Rein oberflächlich betrachtet, mit 30er Zone, Wald- und Feldrandlage einer übersichtlichen Kleinstadt erweckt es nämlich durchaus den Eindruck, freigängergeeignet zu sein.
Wenn da nicht der Teufel im Detail stecken würde:
An die Tempo 30 hält sich hier keine S..., es werden sogar regelrecht Geschwindigkeitsrekorde im Erreichen des Sackgassenendes (wo unser Haus steht) veranstaltet. Als meine Kinder kleiner waren, hatte ich das Totenhemd an, wenn sie draußen spielen wollten. Mittlerweile schnappen sie sich lieber ihre Räder und fahren ins Neckarvorland, um zu bolzen, weil sie vor dem Haus keine ruhige Minute haben.
Auf der Ringerschließung des Wohngebietes (Tempo 30) wurde ein Kind vom Linienbus überfahren - noch Fragen zu dieser willenlosen Raserei?
Eine Nachbarin zog vor sechs Jahren mit einem freigangerfahrenen Kater aus der Stadtmitte einer nahen Großstadt hier aufs "platte Land" - nach nicht einmal sechs Monaten war der Kater tot, überfahren auf der Wndeplatte unmittelbar vor ihrem Haus.
Die nächste Katze wurde im nahen Wald erschossen beim "wildern" und die dritte wurde Opfer von Rattengift das auf dem nahegelegenen Bauernhof ausgelegt worden war.
Eine andere Nachbarin hatte vor eineinhalb Jahren die achte oder neunte Katze binnen 14 Jahren. Ich habe es aufgegeben, da noch weiter Anteil zu nehmen, es nimmt mich emotional einfach zu sehr mit, aber ich konnte nicht umhin, beim Vorbeilaufen zu bemerken, dass unterdessen schon mindestens zwei andere Katzen bei ihr ansässig waren.
In den 15 Jahren seit wir hier leben haben wir wahre Heerscharen an Freigängern kommen gesehen - und gehen.
Wenn es gut läuft, überdauern sie ca. 2-3 Jahre.
In der ganzen Zeit gab bzw. gibt es exakt zwei Katzen, die länger im Freilauf hier überlebt haben: der Kater von Nachbarn, der mit fünf Jahren mit ihnen einzog und ca. 12 Jahre alt wurde ehe er an Gift gestorben ist und der andere Kater anderer Nachbarn, den sie mit ca. 4 Jahren aus dem Tierheim holten und der jetzt 12 Jahre alt ist.
Ich hoffe sehr, dass die Freigängerin meiner unmittelbaren Nachbarn es auch so lange schafft. Sie ist jetzt 3 1/2 Jahre alt. Sie holten sie im Herbst 2010 aus dem Tierheim und hörten glücklicherweise auf mich, sie erst im Frühling rauszulassen (eine zweite Katze dazu zu nehmen, darauf hörten sie damals nicht, aber mittlerweile scheint der stete Tropfen doch etwas zu bewirken).
Ansonsten läuft hier derzeit noch ein weiterer Freigänger herum, der ein viel zu enges Halsband trägt. Leider ist er extrem scheu, sonst hätte ich schon längst einen Zettel dran gemacht mit der Info, wie gefährlich so etwas ist, bzw. kurzerhand abgemacht.
Alleine von Sommer 2011 zu Sommer 2012 sind bei uns sechs Katzen, die ich kannte und Besitzern zuordnen konnte, weggekommen.
Das ist meine persönliche "Bilanz des Schreckens" in unserem Wohngebiet, das auf den ersten Blick so freigängertauglich aussieht.
Sehr viele Katzenhalter bei uns im Gebiet gehen deshalb zu reiner Wohnungshaltung über.
Das ist einerseits sehr verständlich, aber andererseits sehr schade für die Katzen, wenn die bei allerschönstem Sommerwetter drinnen sitzen und sich die Näschen an der Terrassentüre plattdrücken, während die zweibeinige Familie draußen grillt, feiert, lacht, ballspielt, gärtnert.
Leider verstehen die Leute nicht, dass man mit so wenig Aufwand den Garten sichern kann und so viel Gewinn an Lebensqualität für sich und vor allem seine Katzen bekommen kann.
Mir tun diese Katzen so leid, wunderschöne, leicht zu sichernde Grundstücke in überschaubarer Größe (und somit kostengünstig zu sichern) vor der Nase und sie dùrfen selbige nicht in die Sonne halten.
Und das nur, weil es unter Katzenhaltern landläufig nur zwei Schubladen in ihrem Weltbild gibt: Freigang einerseits und Wohnungshaltung andererseits.
Ja, verdammt noch mal, ich freue mich wie Bolle über jede einzelne Katze, die einen gesicherten Garten(teil) genießen kann, auch gesicherte Terrassen und Balkons erhöhen die Lebensqualität von Wohnungskatzen ungemein.
Aber ich sehe es auch so, dass es nicht stur heißen darf Quantität vor Qualität, sprich ein langes Leben in der Wohnung nicht immer den Gefahren des Freilaufs vorzuziehen ist.
Vor allem wenn auf Einzelhaltung, gerade von jungen Katzen bestanden wird, denke ich mir oft, ist ein kurzes Leben draußen einem langen öden Leben drinnen unbedingt vorzuziehen.
Ich kann es aber auch nicht nachvollziehen, wie man alle zwei Jahre (oder öfter) losgehen, und sich eine neue, junge Katze für den Freilauf holen kann, wenn die drei, vier, acht, neun Katzen zuvor es schon nicht überlebt haben.
Dass man dann nicht auf die Idee kommt, entweder die Haltung von Katzen überhaupt oder zumindest die Haltungsform zu überdenken, erschließt sich mir nicht.
Aber so ist es hier (bei uns) auf dem Land eben. Da wird auch nicht darüber nachgedacht und es werden high-white Kitten mit Taubheit in ungesicherten Freilauf vermittelt ebenso wie Kitten die nach Katzenschnupfen blind sind.
Leider ist es so, dass echte Freigängerlagen immer seltener werden.
Eigentlich kein Wunder, denn die Landschaft wird immer mehr zersiedelt, Industriegebiete fressen sich in vormalige Ackerflächen hinein, Wiesen werden zu immer neuen Wohngebieten mit noch mehr Menschen (und vor allem Autos) umgewidmet, Umgehungsstraßen schlagen Schneißen in zuvor unberührte Landschaft hinein.
Ich gebe zu, die meisten Leute, die ich kenne, leben in Baden-Württemberg, im südlichen Hessen und Rheinland-Pfalz und im nördlichen Bayern - allesamt in sehr verdichteten Lagen, im Vergleich zu weiten Teilen Nord- und Ostdeutschlands. Das prägt natürlich das Bild, das ich habe, denn meine Freunde schildern aus ihren Wohngebieten nicht viel anderes, als ich hier beobachten kann.
Nämlich gerade auch die geradezu pervers zu nennende Situation, dass Freigänger (bei uns und in den Regionen meiner Freunde) am ehesten noch klarkommen mitten in der Großstadt. Und dass es eben kein ländliches Idyll gibt.
Leider.