Ich habe hier jetzt eine Weile schweigend mitgelesen und dabei diverse Gefühlsbäder erlebt. Von Bestürzung über Wut bis hin zu Traurigkeit war so ziemlich alles dabei. Deshalb habe ich auch mal wieder lange überlegt, ob und wenn was ich dazu schreiben soll.
Und ja, ich schreibe offensichtlich etwas dazu, denn auch ich muss hin und wieder meiner Seele Luft machen. Achtung – lang!!!
1) Die Intention dieses Threads von [...] ist super, [...] [hier kam etwas Foreninternes]
2) Wenn ich hier lese, dass man mehr oder weniger selbstverständlich davon ausgeht, dass Züchter ihre Tiere in die Pathologie zu geben haben, dann frage ich mich, warum das so ist? Vielleicht muss man da etwas weiter ausholen – wobei ich bei all diesen Dingen nur für mich schreiben kann und niemals für Züchter allgemein.
Warum bin ich Züchter geworden? Ich habe angefangen zu züchten, weil ich mich in die Siam/OKH verliebt habe und mein Glück, meine Freude und diese unabdingbare Liebe, die sie einem schenken, mit anderen teilen wollte. Ich wollte das Wesen, den Charakter und natürlich auch die Optik (und nie zu vergessen die Gesundheit) dieser zauberhaften Katzen erhalten und das große Glück, eine Zeit seines Lebens einen so wundervollen Begleiter in seinem Leben zu haben, mit anderen teilen.
Ich war Liebhaber und ich habe nirgendwo unterschrieben, dass ich das nicht mehr bin, nur weil ich auch Züchter werde. Es zerreißt mir mein Herz bei jedem einzelnen Tier, das stirbt, egal ob es bei mir wohnt oder umgezogen ist, auch egal, wie lange es schon umgezogen ist. Sie sind ein großer Teil meines Lebens, ich opfere ihnen eine ganze Menge, um meine Zucht so zu betreiben, wie ich es mache und die Tatsache, dass ich genau bei 2 meiner Katzen nach 15 Jahren nicht weiß, was aus ihnen geworden ist, zeigt wohl, wie viel Herzblut und Engagement ich investiere.
Trotzdem wird mir hier als Züchter abgesprochen, genau so geschockt, traurig und emotional durch den Wind zu sein, wenn ein Tier stirbt, wie es Liebhaber sein dürfen? Warum eigentlich? Warum sollte es mir in irgendeiner Form leichter fallen, meine Katze in einen Karton zu packen und zum „zerschneiden“ in die Pathologie zu schicken, als irgendeinem anderen hier? Warum sollte ich nicht tief in mir drin den Wunsch hegen, in Ruhe und Würde von meinem Tier bei einem stilvollen Begräbnis im Garten Abschied nehmen zu wollen, anstelle es in Windeseile in die Pathologie zu schicken, damit es dort noch möglichst „frisch“ ankommt. Warum? Kann mir das irgendeiner hier erklären?
Ja, ich schicke sie in die Pathologie, weil mein Kopf sagt, dass ich das tun muss, wenn nicht ganz sicher klar ist, warum sie (zu früh) sterben mussten, aber aus meinem Herz mache ich jedes Mal aufs Neue eine riesige Mördergrube, was mich nachts im Schlaf dann heim sucht. Rede ich nicht drüber, bekommt keiner mit, geht auch eigentlich keinen was an, aber irgendwie glauben scheinbar alle, dass es einem als Züchter „leichter fällt“, das zu tun. NEIN, ganz sicher nicht, zumindest mir nicht.
3) Warum mache ich es dann trotzdem?
Tja, gute Frage, stelle ich mir auch regelmäßig, vor allem, wenn ich lese wie wenig Empathie man für das Leid bekommt, was es einem bereitet. Ja, ich kenne die Überwindung, aber im Gegensatz zu Liebhabern, die sich mit diesen Themen eben vielleicht nicht so intensiv beschäftigen, habe ich erkannt, dass nur auf diesem Wege Dinge aufgedeckt werden und womöglich im Genpool (und damit meine ich die Rasse weltweit) vorhandene Erberkrankungen entdeckt, analysiert und im besten Fall durch entwickelte Gentests oder Vorsorgeuntersuchungen wieder ausselektiert werden können.
4) Wie funktioniert das eigentlich mit der Gesundheitsvorsorge bei Katzen – wie entstehen Gentests oder Vorsorgeuntersuchungen?
Am Anfang ist da ein Züchter, der sich wirklich ernstlich für die Gesunderhaltung der Rasse interessiert. Wenn er auffällige Todesfälle (oder im weniger schlimmen Fall Erkrankungen) bei seinen Nachzuchten bemerkt, lässt er diese gründlich untersuchen (egal wie weh es emotional und finanziell tut) – im besten Fall hier schon auch durch Unterstützung seiner Käufer, denn der größte Teil der gezüchteten Katzen verbleibt schließlich nicht beim Züchter. Diese Unterstützung funktioniert aber nur unter zwei Prämissen – zum Einen ein guter Kontakt über Jahre zwischen Züchter und Käufern und zum Anderen Käufer, die auch bereit sind, nicht sicher geklärte Todesfälle bei Katzen, die (zu früh) gestorben sind, pathologisch untersuchen zu lassen.
Hier ergibt sich dann mit der Zeit ein Bild – z.B. auffälllig viele Katzen sterben mit 4 Jahren an Y-Problemen. Ursache am lebenden Tier nicht feststellbar, in der Pathologie findet sich aber eine Ursache X (für die es definitiv noch keinen Gentest gibt).
Dann schaut der Züchter, inwieweit die verstorbenen Katzen miteinander verwandt sind und entdeckt vielleicht eine familiäre Häufung, so dass eine genetische Komponente vermutet werden kann. Er wird sich erkundigen, schlau machen, versuchen heraus zu finden, inwieweit X bereits erforscht ist, ob es Mutmaßungen zum Erbgang gibt, ob bei den Vorfahren nicht doch auch verdächtige Todesfälle vorkamen, die als solche vielleicht bis dahin noch nicht erkannt wurden. Wenn er da zu einem schlauen Schluss kommt – wird er womöglich Linien still legen, Tiere aus der Zucht nehmen und hoffen, dass er das Problem so vielleicht ausselektiert bekommen kann.
(Anmerkung: Diese Vorgehensweise dezimiert leider Gottes den Genpool enorm, ist aber ein üblicher erster Schritt.)
Tückisch nur, wenn es ein rezessiver Erbgang ist, der sich versteckt über 99 Generationen still und leise weiter geben kann, ohne je in Erscheinung zu treten. Dann wiegt sich der Züchter womöglich in Sicherheit, weil er ja „still gelegt hat“ und stellt nach 1 oder 2 Jahren fest, dass das Problem viel größer und weitläufiger ist, als er dachte und immer noch zu viele (und jede einzelne ist zu viel) Katzen zu früh an X sterben (dass es X ist, weiß er nur sicher bei den Tieren, die pathologisch untersucht wurden, da X ja nur am toten Tier in der Pathologie nachgewiesen werden kann).
Nun hat Züchter verschiedene Möglichkeiten:
- er beendet seine Zucht, weil er auf die Ungewissheit, das Leid bei Mensch und Tier, die Kosten und Mühen keine Lust hat (auch das dezimiert den Genpool mal wieder sehr)
- er züchtet weiter nach Vogel-Strauss-Politik, Kopf in den Sand, die meisten Liebhaber lassen eh nicht obduzieren und wenn sich doch mal einer meldet, dann zuckt man halt die Schultern, drückt sein Bedauern aus und macht munter weiter und verteilt so das Problem womöglich weltweit, durch Verkäufe in andere Zuchten (denen man wohlweißlich auch mal nix sagt)
- er setzt Himmel und Hölle in Bewegung, informiert seine Käufer über das Problem, hält engen Kontakt, um im Zweifelsfall Ansprechpartner zu sein, findet eine Uni, die bereit ist, das Problem näher zu erforschen und best case einen Gentest zu entwickeln, schickt jedes Tier so es irgendwie möglich ist in die Pathologie und in die Genforschung, damit dort mit entsprechend gesicherten Informationen und DNA-Material sinnvoll geforscht werden kann und bittet auch seine Käufer das zu tun (und ist im besten Fall sogar bereit die Kosten für die Pathologie zu übernehmen).
Und wenn dann alle an einem Strang ziehen, gibt es hoffentlich am Ende einen Gentest für X, so dass der Züchter wirklich sinnvoll ausselektieren kann und die Käufer in Zukunft dann wieder (weltweit) Katzen kaufen können, die nicht mit 4 Jahren an X sterben bzw. sich Züchter suchen können, die auf X testen lassen und entsprechend verpaaren.
Ein so entwickelter Gentest ist eine Win-Win-Situation für alle – für Züchter, weil sie sinnvoll selektieren können und somit gesundheitliche Probleme wirklich ausmerzen können, für Liebhaber, weil sie beim Kauf eine Sorge weniger bezüglich der Lebenserwartung haben und für die Rasse, die nämlich im Falle von Züchtern, die nach 1 oder 2 verfahren, ziemlich zügig „durchseucht“ oder im Genpool „kaputt“ ist und sich in gar nicht so langer Zeit eine Lebenserwartung von durchschnittlich 15-18 Jahren auf 4-8 Jahre dezimieren wird.
Und wer will das? Keiner!