BGH-Urteil vom 14.11.2007
BGB § 307 Abs. 1 Bb
Die Klausel in einem formularmäßigen Wohnungsmietvertrag "Jede Tierhaltung, insbesondere von Hunden und Katzen, mit Ausnahme von Ziervögeln und Zierfischen, bedarf der Zustimmung des Vermieters." hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht stand.
BGB § 535 Abs. 1 Die Beantwortung der Frage, ob die Haltung von Haustieren in dem Fall, dass eine wirksame mietvertragliche Regelung fehlt, zum vertragsgemäßen Gebrauch im Sinne von § 535 Abs. 1 BGB gehört, erfordert, soweit es sich nicht um Kleintiere handelt, eine umfassende Abwägung der Interessen des Vermieters und des Mieters sowie der weiteren Beteiligten. Diese Abwägung lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall vornehmen, weil die dabei zu berücksichtigenden Umstände so individuell und vielgestaltig sind, dass sich jede schematische Lösung verbietet. BGH, Urteil vom 14. November 2007 - VIII ZR 340/06 - LG Krefeld AG Krefeld
Diese Klausel, nach deren Satz 1 jede Tierhaltung, insbesondere von Hun-den und Katzen, mit Ausnahme von Ziervögeln und Zierfischen, der Zustim-mung des Vermieters bedarf, ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, da sie den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemes-sen benachteiligt. Das gilt unabhängig davon, ob nach der Klausel die Zustim-mung zur Tierhaltung des Mieters, wie vom Berufungsgericht angenommen, im freien Ermessen des Vermieters steht oder ob dieser seine Zustimmung nur aus sachlichen Gründen versagen darf. Diese Frage kann daher offen bleiben.
Die unangemessene Benachteiligung des Mieters ergibt sich daraus, dass eine Ausnahme von dem Zustimmungserfordernis nur für Ziervögel und Zierfische besteht, hingegen nicht für andere Kleintiere wie etwa Hamster und Schildkröten. Das Berufungsgericht hat die Klausel zwar nicht so verstanden, sondern ist – beiläufig und ohne Begründung – davon ausgegangen, dass sich die Ausnahme auf "Kleintiere wie Ziervögel und Zierfische" erstrecke. Diese Auslegung, die wegen der Verbreitung derartiger mietvertraglicher Tierhal-tungsklauseln über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus der uneinge-schränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 2004 – VIII ZR 77/03, NJW 2004, 3042, unter II 2 a bb), findet jedoch in dem eindeutigen Wortlaut der Klausel ("mit Ausnahme von Ziervögeln und Zier-fischen") keine Grundlage und ist deshalb rechtsfehlerhaft. Wie der Senat be-reits entschieden hat, hält eine mietvertragliche Klausel, die das Halten von Haustieren ausnahmslos verbietet, der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG (jetzt § 307 Abs. 1 BGB) nicht stand, da das Verbot danach auch Tiere erfasst, deren Vorhandensein von Natur aus – wie es etwa bei Zierfischen im Aquarium der Fall ist – keinen Einfluss auf die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Vermieter und Mieter von Wohnraum haben kann (Senatsurteil vom 20. Januar 1993 – VIII ZR 10/92, NJW 1993, 1061, unter II 4). Nichts anderes gilt für eine Klausel, die, wie die hier in Rede stehende, durch das Erfordernis der Zustim-mung des Vermieters zur Tierhaltung des Mieters ein Verbot mit Erlaubnisvor-behalt begründet. Auch eine solche Klausel benachteiligt den Mieter unange-messen, wenn sie keine Ausnahme für Haustiere vorsieht, deren Haltung zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache im Sinne von § 535 Abs. 1 BGB gehört, weil davon in der Regel – in Ausnahmefällen kann der Vermieter gemäß § 541 BGB auf Unterlassung klagen – Beeinträchtigungen der Mietsache und Störungen Dritter nicht ausgehen können. Das ist nicht nur bei den in der hier streitigen Klausel aufgeführten Ziervögeln und Zierfischen, sondern auch bei anderen Kleintieren der Fall, die, wie etwa Hamster und Schildkröten, ebenfalls in geschlossenen Behältnissen gehalten werden (ganz herrschende Meinung, siehe nur Blank, NJW 2007, 729, 731; Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 535 Rdnr. 350; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, aaO, Rdnr. 495; Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 9. Aufl. , § 535 Rdnr. 28; Kinne in Kin-ne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 4. Aufl., § 535 Rdnr. 37a; Knops in Herrlein/Kandelhard, Mietrecht, 3. Aufl., § 535 Rdnr. 28; Kraemer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III.A Rdnr. 1038; MünchKommBGB/Schilling, 4. Aufl., § 535 Rdnr. 93). Daher ist ein formularmäßiges Tierhaltungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt, das wie die hier in Rede stehende Klausel eine Ausnahme nur für Ziervögel und Zierfische, hinge-gen nicht für andere Kleintiere vorsieht, nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirk-sam (vgl. Blank, aaO, S. 732; Kinne, aaO; Knops, aaO, Rdnr. 31; Kraemer, aaO, Rdnr. 1039; Wüstefeld, jurisPR-MietR 4/2007 Anm. 2; dies übersieht OLG Hamm, WuM 1981, 53 = ZMR 1981, 153; ebenso MünchKommBGB/Schilling, aaO, § 535 Rdnr. 94).
Eine andere Beurteilung ist auch nicht dann gerechtfertigt, wenn die Zu-stimmung zur Tierhaltung nach § 8 Nr. 4 des Mietvertrages der Parteien entge-gen der Auslegung des Berufungsgerichts nicht im freien Ermessen des Ver-mieters steht, sondern von diesem nur aus sachlichen Gründen versagt werden darf. In diesem Fall ist zwar eine Versagung der Zustimmung zur Haltung von anderen Kleintieren als Ziervögeln und Zierfischen ausgeschlossen, weil von diesen Tieren Beeinträchtigungen der Mietsache und Störungen Dritter nicht ausgehen können. Ungeachtet dessen ist die Klausel dann jedoch nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, weil sie nicht klar und verständlich ist. Die Klau-sel bringt nicht eindeutig zum Ausdruck, dass die Zustimmung zur Haltung von anderen Kleintieren als Ziervögeln und Zierfischen nicht versagt werden darf, weil es hierfür keinen sachlichen Grund gibt. Deswegen besteht die Gefahr, dass der Mieter insoweit unter Hinweis auf die Klauselgestaltung von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird. Dies stellt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen Verstoß gegen das Transpa-renzgebot dar (vgl. BGHZ 145, 203, 220 m.w.N.).
3. Das Berufungsurteil stellt sich nach den bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
Fehlt es wie hier an einer wirksamen Regelung der Tierhaltung im Miet-vertrag, ist allein die gesetzliche Regelung maßgebend. Insoweit ist in Recht-sprechung und Schrifttum streitig, ob – abgesehen von Kleintieren (vgl. dazu vorstehend unter II 2) – die Haltung von Haustieren (im Folgenden nur: Haustie-re), namentlich von Hunden und Katzen, in Mietwohnungen zum vertragsge-mäßen Gebrauch im Sinne von § 535 Abs. 1 BGB gehört (vgl. dazu zuletzt Blank, aaO, S. 731 m.w.N.).
Nach einer Meinung ist das zu bejahen (vgl. KG, WuM 2004, 721, 722 (Katzenhaltung); LG Hildesheim, WuM 1989, 9; Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 535 Rdnr. 251; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, aaO, Rdnr. 498 ff.; Dillenburger/Pauly, ZMR 1994, 249, 251; Dallemand/ Balsam, ZMR 1997, 621, 623; differenzierend: Kinne, aaO, Rdnr. 37b, c).
Gemäß anderer Auffassung ist es dagegen zu verneinen; danach ist die Haltung von Haustieren nur mit der Erlaubnis des Vermieters zulässig, auf die kein Anspruch besteht, deren Versagung aber im Ausnahmefall treuwidrig (§ 242 BGB) sein kann (OLG Hamm, WuM 1981, 53, 54 = ZMR 1981, 153, 154; LG Karlsru-he, NJW-RR 2002, 585; Emmerich, aaO, Rdnr. 28 f.; Kraemer, aaO, Rdnr. 1038, 1041; Erman/Jendrek, BGB, 11. Aufl., § 541 Rdnr. 6).
Nach einer vermittelnden Ansicht ist die Frage der Zulässigkeit der Tierhaltung im Einzelfall unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zu entscheiden (LG Hamburg, WuM 2002, 666; LG Freiburg, WuM 1997, 175; LG Düsseldorf, WuM 1993, 604; LG Mannheim, ZMR 1992, 545; Blank, aaO, S. 731; Knops, aaO, Rdnr. 29; MünchKommBGB/Schilling, aaO, Rdnr. 93).
Die letztgenannte Ansicht ist richtig.
Die Beantwortung der Frage, ob die Haltung von Haustieren in dem hier gegebenen Fall, dass eine wirksame miet-vertragliche Regelung fehlt, zum vertragsgemäßen Gebrauch im Sinne von § 535 Abs. 1 BGB gehört, erfordert eine umfassende Abwägung der Interessen des Vermieters und des Mieters sowie der weiteren Beteiligten. Diese Abwä-gung lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall vornehmen, weil die dabei zu berücksichtigenden Umstände so individuell und vielgestaltig sind, dass sich jede schematische Lösung verbietet. Zu berücksichtigen sind insbe-sondere Art, Größe, Verhalten und Anzahl der Tiere, Art, Größe, Zustand und Lage der Wohnung sowie des Hauses, in dem sich die Wohnung befindet, An-zahl, persönliche Verhältnisse, namentlich Alter, und berechtigte Interessen der Mitbewohner und Nachbarn, Anzahl und Art anderer Tiere im Haus, bisherige Handhabung durch den Vermieter sowie besondere Bedürfnisse des Mieters (Blank, aaO; Knops, aaO).
Im vorliegenden Fall lässt sich bisher nicht beurteilen, ob die von dem Kläger beabsichtigte Haltung von zwei Katzen der Rasse Britisch Kurzhaar zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache gehört. Ein entsprechendes Fest-stellungsbegehren ist in der (Leistungs-)Klage auf Zustimmung zur Haltung der Katzen als Minus enthalten. Für eine Entscheidung über dieses Begehren fehlt es an der Feststellung der erforderlichen Tatsachen und der gebotenen umfassenden Interessenabwägung, die im wesentlichen Aufgabe des Tatrichters ist und revisionsrechtlich nur auf Rechtsfehler hin überprüft werden kann.
Quelle zum vorstehenden Urteilsauszug:
www.bundesgerichtshof.de Aktenzeichen VIII ZR 340/06 Urteil vom 14.11.2007