Ich erzähle dir kurz Ennas Geschichte:
Enna stammt aus eine Gruppe wildlebender Hofkatzen, die allesamt als sehr scheu und vorsichtig bekannt sind. Sie wurde mit einem heftigen Darmvorfall mit Falle eingefangen, kam zu mir auf Pflegestelle, wo sie sich lange Zeit der medizinischen Behandlung unterziehen mußte. Danach entschloß ich mich sie zu behalten und in meine Gruppe eigener Katzen zu integrieren, die 24/7 Freigänger mit Katzenklappe sind. Die Eingewöhnung im Haus lief gut und ich konnte sie zwar nicht streicheln, aber sie kam zuverlässig zu den abendlichen Spielerunden dazu. Ich entließ sie dann zu früh in den Freigang -- zu früh heißt in dem Fall, dass sie zwar bereits seit mehreren Monaten bei mir war, aber eben die Bindung zu mir und ans Haus noch nicht gut genug gefestigt war. Das führte dazu, dass sie nicht wieder ins Haus zurück kam. Sie suchte sich den Carport als Unterschlupf aus und kam auch zuverlässig zum Fressen dorthin, kam aber nicht mehr ins Haus. Meine anderen Katzen betrachteten sie daraufhin wieder als Eindringling, es kam zu kämpfen und sie wanderte ins zu dem Zeitpunkt leerstehende Nachbargrundstück ab. Daraufhin fing ich sie im Herbst letzten Jahres dann erneut mit der Falle ein (und ja, sie ist nach kurzer Eingewöhnung wieder in die Falle gegangen) und holte sie wieder ins Haus. Dort setzte ich sie erneut separat und setzte ihr ein liebes freundliches Katzenmädchen als Kumpeline dazu. Die beiden freundeten sich an und beide bezogen dann zusammen erst ihr "unter der Couch im Wohnzimmer"_Domizil und dann das "Auf dem Schlafzimmerschrank" Domizil. In der Zeit befestigte ich an meiner Terrasse, die an das Schlafzimmer grenzt ein Katzennetz, so dass sie die abgenetzte Terrasse zur Verfügung hatten. So konnten die beiden das raus- und reingehen (er)lernen, ohne, dass sie mir stiften gehen konnten. Die Freundin hatte das recht fix kapiert, aber Enna brauchte auch hier mehrere Monate um da sicher und gefestigt zu sein. Nachdem das auch bei ihr gut funktionierte, nahm ich das Terrassennetz ab und jetzt genießen die beiden ihre Freiheit und kommen beide mehrmals täglich und zuverlässig nach Hause.
Enna ist sicher ein spezieller Fall, da sie extrem scheu und absolut nicht zähmbar ist aufgrund ihrer Geschichte. Aber es zeigt, worum es geht: scheue Katzen brauchen sehr viel länger um zu verstehen, dass sie auch wieder zurück ins Haus dürfen. Die Türschwelle ist aus ihrer Sicht eine unüberwindbare Grenze, da sie in ihrem vorherigen Leben als Streuner lernen mußten eben absolut vorsichtig zu sein und nirgends reinzugehen. Wären sie anders, hätten sie es gar nicht geschafft zu überleben. Manche können dieses umdenken recht fix lernen bzw. das, was sie im Haus erfahren haben hat gereicht um die alten Erfahrungen weit genug zu "überschreiben". Andere brauchen länger dafür und wenn sie diesen Schritt noch nicht gelernt haben und nach draußen kommen, dann fallen sie wieder komplett in ihr altes Muster zurück und schaffen es nicht über den Schatten ihrer alten Erfahrungen zu springen und wieder zurück ins Haus zu gehen. Das hat nichts damit zu tun, dass sie nicht wollen - sie können nicht, da ihre alten Ängste sie daran hindern. Ist im grunde wie bei uns Menschen - wenn wir eine unschöne Situation erlebt haben, fällt es uns danach auch schwer uns bewußt einer ähnlichen Situation auszusetzen und manch einer wird für den Rest seines Lebens entsprechende Dinge/Situationen meiden, weil er es nicht mehr schafft sich dem zu stellen. Und wir können über dieses "ich muß mich dem aber stellen" ja sogar noch bewußt nachdenken.... Dann von einem Tier zu verlangen, dass es das "einfach so" schafft, was selbst wir oft nicht schaffen wäre wohl arg viel.
Deshalb auch mein Rat: wieder einfangen - ggfs. auch mit Lebendfalle (durch Training in unscharfer Falle und Ruhe und Zeit klappt das auch irgendwann wieder) und dann nochmal neu ansetzen.
Diese Scheumietzen werden in den meisten Fällen ganz tolle Katzen - wenn man ihnen die Zeit und die Möglichkeiten gibt umzulernen...